Presseschau

Schweiz am Wochenende vom 17.10.2020

Der Ehrgeizling

Jakob Weber

Andrea Padula ist in diesem Jahr durchgestartet. Wer ist der 24-jährige Italiener, den Trainer Sforza aus Wil mit zum FC Basel brachte?

Im Sommer 2016 verstaut Andrea Padula sein frisch erhaltenes Matura-­Zeugnis. Es landet im Schrank in seinem Elternhaus in Campione d’Italia, wo es bis heute unangerührt liegt. Denn Padula hat in diesem Sommer vor vier Jahren neben dem Schulabschluss ein noch wichtigeres Schriftstück erhalten: einen Vertrag beim FC Chiasso in der Challenge League. «Ab dann habe ich nur noch an Fussball gedacht», sagt ­Padula heute. Mittlerweile sitzt er in einer Loge im St. Jakobpark. Der 24- Jährige ist im Jahr 2020 von den Niederungen der Challenge League bis in die Europa League durchgestartet. Vieles hat sich seit seinem ersten Profivertrag verändert, nur die Trikotfarbe nicht. Aus Rossoblu wurde Rotblau.

Mit dem Angebot des FC Basel hat sich für Andrea Padula ein Traum erfüllt. Als ihm sein Cousin und Berater Anfang September vom Interesse des FCB erzählt, ist Padula überwältigt. «Eigentlich war es immer mein Ziel, für Lugano in der Super League zu de­bütieren. Doch jetzt bin ich hier. Das ist unglaublich», sagt er. Auf Deutsch. Obwohl er erst neun Monate in der Deutschschweiz lebt, kann sich Padula sehr gut verständigen. Deutsch hat er damals im Tessin in der Schule gelernt, aber erst in Wil wirklich angewendet. «Ich schwör», sagt Padula immer wieder am Ende eines Satzes, wenn er dessen Aussage bestärken will. Diesen Deutschschweizer Jugendslang hat er bereits intus. «Das habe ich einerseits von den Kollegen in Wil aufgeschnappt, andererseits sage ich das auch auf Italienisch oft», erklärt er.

Kompliziertere Wörter fehlen Andrea Padula manchmal noch. Doch dann fragt er nach und lernt schnell. «Rapporto?» Das Verhältnis. «Ja, das Verhältnis zu Ciriaco Sforza war sehr gut. Die Zeit mit ihm in Wil hat Spass gemacht. Jetzt machen wir in Basel weiter», sagt Padula und grinst. Natürlich wollen wir wissen, ob es auch gut tut, im Spiel ständig angeschrien zu werden. Denn Andrea Padula ist einer der Lieblingsopfer von Sforza, wenn er von der Seitenlinie lautstark Anweisungen aufs Feld brüllt. «Aaaandreeea, mach dies! Aaaandreeea, nicht das!», ertönt es dann immer wieder. Darauf angesprochen, lacht Padula. Dann sagt er: «Für mich ist das normal, für die an­deren vielleicht neu. Ich kenne Ciriaco Sforza nur so. Er hat das immer gemacht und es hilft mir in gewissen Situationen. Stressen lasse ich mich von seinen Zurufen nicht.»

Tatsächlich ist der Aufstieg von Andrea Padula unweigerlich mit Ciriaco Sforza verbunden. So sehr, dass Padula im Gespräch auch seinen ersten Trainer bei Chiasso, Giuseppe Scienza, einmal aus Versehen Ciriaco nennt. Auch hier muss Padula lachen. Dann sagt er: «Sforza war bisher mein wichtigster Trainer. Unter ihm habe ich mich in Wil extrem verbessert. Das war die schönste Zeit in meiner Karriere.»

Auch in Wil erinnert man sich gerne an Padula, obwohl er seit seiner Verpflichtung im Januar 2020 nur 18 Spiele für die Ostschweizer gemacht hat. Sein Offensivdrang und seine technische Klasse haben viele Fans entzückt. Sein Tor gegen GC, als er sich links aussen den Ball erkämpft, zwei Spieler vernascht und das Leder dann von der Strafraumgrenze mit rechts in den entfernten Winkel zwirbelt, bleibt in Erinnerung. Auch Trainer Sforza hat Pa­dula in kurzer Zeit so sehr von sich überzeugt, dass der ihn auch ohne Super-League-Erfahrung mit zum FCB nahm. Sforza sagt: «Andrea ist ein sehr ehrgeiziger Typ und damit jetzt beim richtigen Verein angekommen. Er ist polyvalent und kann auf beiden Seiten spielen. Er hat vor dem FCB zwar noch nie Super League gespielt, doch seine Qualitäten und sein Talent gezeigt.»

Dass Padula Talent hat, haben ihm auch seine Trainer in der Jugend bei Basso Ceresio oder später beim Team Ticino oder im Nachwuchs des FC Lugano immer wieder gesagt. Doch die Trainer sagten auch: «Du bist zwar gut, aber du musst noch mehr arbeiten», damit du Profi wirst.» Diese Worte haben vielleicht nicht unmittelbar, dafür aber langfristig Wirkung gezeigt.

Andrea Padula will sich in jeder Trainingseinheit verbessern und er probiert auch in der Physiotherapie und im Fitnessraum immer sehr konzentriert zu arbeiten. «Ich will immer topfit und bereit sein», sagt er. Mit dieser Haltung will sich Padula als Stammspieler beim FCB etablieren. Durch den Transfer von Jorge und die baldige Genesung von Raoul Petretta hat er auf der Position des Linksverteidigers Konkurrenz erhalten. Kein Problem für Padula: Er sagt: «Der Konkurrenzkampf untereinander ist wichtig. Vor allem in Basel, weil so alle schon im Training an ihre Grenzen gehen und dann auch am ­Wochenende besser spielen.»

Neymar ist Padulas Idol, aber Verteidiger die Lieblingsposition

Wie so viele Aussenverteidiger war auch Padula in der Jugend Stürmer. Auch bei Chiasso spielte er mehrheitlich in der Offensive und später im 3-5-2-System auf dem Couloir. Erst in Wil rückte er definitiv nach hinten. «Aussenverteidiger ist meine beste Position. Auf der linken Seite kann ich mich mit meinem starken rechten Fuss offensiv noch besser einschalten und in den Abschluss gehen», erklärt Padula, dessen Idol eigentlich Neymar ist.

Gegen den Brasilianer würde er zu gerne einmal selbst spielen. Doch ­Padula will nicht allzu weit in die Ferne blicken. «Ich könnte jetzt sagen, dass ich Champions League spielen will. Aber das bringt nichts. Ich arbeite lieber jeden Tag und schaue dann, wohin das reicht», sagt er. Zunächst einmal will er sich auf das Derby gegen den FCZ konzentrieren. «Die Duelle zwischen Basel und Zürich sind immer intensive Spiele», sagt er und klatscht dabei mit der Faust in die Hand. Solche Spiele hat der Ehrgeizling Andrea Padula besonders gern. Vor allem, wenn er sie gewinnt. «Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Das muss unser Anspruch sein.»

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