Schweiz am Wochenende vom 07.11.2020
Interview: Jakob Weber
FCB-Klubhistoriker Josef Zindel kritisiert vor der GV das Verhalten der Bewegung Yystoo und verurteilt die «Hetzjagd» der Klubbosse.
Herr Zindel, im Vorgespräch entstand der Eindruck, Sie seien so wütend, dass Sie sich quasi als FCB-Anwalt öffentlich äussern wollen.
Josef Zindel: Ich bin nicht wütend, ich finde eine Bewegung wie Yystoo legitim. Sie hätte sehr wohl auch wertvoll für den FCB sein können, denn inhaltlich sind einige Kritikpunkte berechtigt. Was ich an Yystoo nicht akzeptieren kann, sind einige Methoden, die angewandt wurden, um ans Ziel zu kommen. Namentlich die meines Erachtens unredliche Art, wie die 9300 Sympathisanten generiert wurden.
In welcher Funktion sprechen Sie?
Selbstverständlich bin ich als angestellter Redaktor und Klubhistoriker des FCB «Partei». Aber es hat mich niemand von der Klubführung oder sonst wer aus dem Verein aufgefordert, mich zu Yystoo zu äussern. Darum: Ich rede hier als Josef Zindel, weil bisher kaum jemand die Methodik von Yystoo aufgedeckt hat, schon gar nicht die Medien. Und noch weniger wurde öffentlich auch mal über Menschlichkeit, Stil und Anstand diskutiert. Sie können deshalb meine Aufklärungsversuche gerne als eine Form von Notwehr betrachten, auch weil es bisher niemand anders getan hat.
Sie kritisieren die Berichterstattung der Medien. Was hätten Sie als Ex-Journalist anders gemacht?
Als Bernhard Burgener vor einiger Zeit Gast im «Sportpanorama» von SRF war, war das, was der Moderator aufführte, kein Interview, sondern ein Verhör. Grundsätzlich hätte ich beide Seiten angehört und nicht nahezu exklusiv der Bewegung Yystoo schöne Plattformen gegeben, ohne auch nur einmal deren Methoden zu untersuchen. Was um Himmels willen ist eine Unterschriftensammlung wert, die bewiesenermassen von jeder Person auch mit Namenskürzeln, Fakenamen wie Donald Trump, Bernhard Burgener oder Peter Pan aufgefüllt werden kann, und das beliebig oft und ohne dass man die Mailadresse zurückverfolgen kann?
Yystoo sagt, sie hätten die Fakeprofile erkannt und gelöscht.
Was Patrick Fassbind im Telebasel zu dieser Thematik gesagt hat, ist ganz einfach falsch. Das beweist ein Video, das aktuell kursiert. Da zu behaupten, die Fakes seien erkannt und gelöscht, ist schon sehr kühn. Und die Weigerung von Yystoo, die 9300 Namen auf der Liste bis auf 50 nicht zugänglich zu machen, ist nicht gerade vertrauensbildend. Nochmals: Ich werfe Yystoo nicht den ganzen Inhalt ihrer Mission vor, sondern die höchst zweifelhafte Methodik, die legitimieren soll, am Ende des Tages Präsident Burgener und CEO Heri loszuwerden.
Als Yystoo aufkam, sind Sie sofort zu Heri und Burgener gegangen. Warum?
Um ihnen zu sagen: «Achtung, das ist etwas Positives. Das sollten wir als FCB ernst nehmen, das ist eine Chance und keine Gefahr, da machen sich viele Fans auch ganz grosse Sorgen um uns.» Dazu nur das: Ich mache keinem Fan aus keinem Sektor, schon gar nicht aus der Muttenzerkurve, auch nur den geringsten Vorwurf, dass sie sich auf die Liste eintrugen. Aber jene, die es nicht wissen, sollen wenigstens hier erfahren, wie Yystoo vorgeht.
Wie hat sich der FCB um ein konstruktives Zusammenarbeiten mit Yystoo bemüht?
Durch viele Gespräche, unter anderem mit Patrick Fassbind, Daniel Schreier, David Frey – und das längst bevor Yystoo aus ebendiesen dem FCB nahe stehenden Personen gegründet wurde.
Wie stehen Sie jetzt zur Bewegung?
Wissen Sie, was da auch mein Problem ist? Dass ich Patrick Fassbind, Silvia Schenker, Daniel Schreier und David Frey privat gut kenne. Dass mich mit einem Teil dieser Menschen Gemeinsamkeiten und Sympathien verbinden, die ich durchaus als freundschaftlich bezeichnen darf. Dass ich schon das Vergnügen hatte, Fassbind samt ganzer Familie privat zu bekochen, genauso wie Silvia Schenker. Und nun muss ich mich via Medien plötzlich gegen diese mir vertrauten Personen wenden. Meine ursprüngliche Sympathie für Yystoo ist einer Art von Bestürzung gewichen.
Sie haben lange mit Fassbind diskutiert. Was stört Sie an seinem Verhalten?
Wie rechtfertigt er sein riesiges Misstrauen gegen jene, die die GV organisieren? Wie begründet er seinen Verdacht, dass der FCB Wahlbetrug begehen könnte, in dem Yystoo eine notarielle Überwachung der Wahlauswertung einfordert? Abgesehen davon, dass der FCB seit jeher alles, was theoretisch manipulierbar sein könnte, nur unter notarieller Aufsicht tut. Auch und gerade die Auswertungen von Wahlen. Aber ich vertraue unseren langjährigen Mitgliedern beim Ausfüllen ihres Wahlzettels, wobei ich es keineswegs schlecht fände, wenn ein Teil des Fünfertickets in den Vereinsvorstand gewählt würde. Der FCB braucht jetzt mehr denn je Menschen, Fans, Sympathisanten, die vor allem für etwas statt gegen etwas sind. Dazu kommt, dass Fassbind als Chef der KESB Basel genau wie der FCB medial oft angegriffen wird und sich aus Datenschutzgründen genau so wenig erklären kann wie der FCB.
Wie nervös ist man beim FCB vor dieser GV?
Wir sind nicht nervös, weil wir den Ausgang aller Abstimmungen und Anträge akzeptieren. Wir sind nicht Trump.
Warum sollten die neuen Statuten angenommen werden?
Es ist wichtig für den FCB, dass diese in vielen Sitzungen und unter Bezugnahme von Fachleuten erneuerten Statuten den Zuspruch unserer Mitglieder bekommen. Denn es sind die modernsten, zielführendsten und den heutigen Gegeben- heiten angepassten Statuten im Schweizer Fussball. Aber selbstverständlich schliesst meine Feststellung nicht das Recht unserer Mitglieder aus, diese Statuten in Frage zu stellen oder abzulehnen.
Welchen Einfluss hat das Ergebnis auf die Zukunft des FCB? Liebäugeln Burgener oder Heri mit einem Rückzug, weil Ihnen das Ganze zu viel wird?
Ich habe nicht die Wahrnehmung, dass Bernhard Burgener und Roland Heri jetzt irgendetwas zu viel wird, zumal auch Heri als CEO aus meiner Sicht hervorragende Arbeit leistet. Mir hat noch niemand wirklich nachvollziehbar erklären konnte, was man ihm konkret und so krass vorwirft, was eine öffentliche Hetzjagd im jetzt erlebten Stil rechtfertigt. Zum Beispiel mit der im Netz veröffentlichten Telefonnummer und Privatadresse mit den logischen Folgen, dass subito Internetdrohungen auftauchten – so im Stil, dass «wir bei dem mal vorbeischauen müssen».
Wäre es wichtig, dass die drei Bisherigen Baumgartner, Kaiser und Donzé wiedergewählt werden?
Wichtig ist, dass der Verein FCB einen neuen Präsidenten bekommt und nicht wie bisher einen Vorsitzenden mit zwei Hüten und sich teils widersprechenden Interessen hat. Dass eine klare Trennung zwischen Präsidium und Verwaltungsrat der AG und dem Präsidium und Vorstand des Vereins geschaffen wird. Konsequenterweise hat Burgener vor einiger Zeit kommuniziert, nicht mehr als Vereinspräsident anzutreten, und nun mit Reto Baumgartner auch einen mehr als valablen Nachfolgekandidaten gefunden.
Ist eine solche Formierung von Fans einmalig in der Geschichte des FCB?
Vermutlich ja, aber auch halt deshalb, weil der FCB bis ungefähr Anfang der Achtzigerjahre keine organisierte Fan- szene im heutigen Sinn hatte. Konkret: Die Formierung ist wahrscheinlich eine Premiere, Krisen aber hat der FCB schon deutlich krassere überlebt.
Sie begleiten den FCB seit 1972: War die Entzweiung zwischen Fans und Klub je so krass?
Vor der sogenannten «Schande von Basel» im Frühjahr 2006 mit wirklich wüsten Ausschreitungen im Joggeli war eine Entzweiung zwischen Klub und Fans kaum möglich, weil es eine Beziehung zwischen Kurve und dem Verein gar nicht gab. Die entstand erst darauf, und zwar durch Dialog mit allen am Fussball und am FCB Beteiligten. Der damalige Klubpräsident Bernhard Heusler erkannte das nach dem besagten 13. Mai schnell – und reagierte, indem er eine progressive Art der Fanarbeit aufzubauen begann.
Welche Fehler hat sein Nachfolger Burgener dann gemacht?
Werfen doch bitte Sie den ersten Stein! Sicher ist, dass Burgener nie Weltmeister in der Kommunikation wird. Und hilfreich wäre, wenn er zum eigenen Vorteil gewisse Vorschläge aus dem Kreis seiner Berater tatsächlich auch annehmen und umsetzen würde.
Burgener will sich oft gar nicht äussern. Er gibt den lokalen Zeitungen keine Interviews mehr. Ist das ein Problem? Oder verständlich aufgrund der Berichterstattung?
Und schon haben wir sie, die Frage, die mich als Privatmensch, aber vor allem als FCB-Angestellter, ein wenig in Verlegenheit bringt. Ich sage es mal so: Menschlich ist es verständlich, dass Präsident Burgener derzeit weder bz noch BaZ Einzelinterviews gibt, weil es schwer ist, die Tonalität der Kritik zu ertragen, auch für CEO Heri. Inhaltlich haben beide Führungskräfte gewiss auch Anlass zur Kritik gegeben. Was mich aber echt sprachlos macht, ist die Tatsache, dass keine der zwei bedeutenden lokalen Zeitungen je die Frage gestellt hat, wie verhältnismässig diese Transparente sind, die in der Stadt aufgehängt wurden. Ich habe Basel als tolerante, kultur- und stilbewusste Stadt lieben gelernt. Und ausgerechnet in dieser werden die zwei Führungskräfte wie die Sau durchs Dorf getrieben und im Stil einer mittelalterlichen Hexenjagd an den Pranger gestellt. Und niemand der öffentlichen Personen und Medien hat diese primitive Protestform auch nur einmal wirklich nach Berechtigung, Relevanz und Stil hinterfragt.
Was braucht der FCB für eine bessere Zukunft?
Rückmeldungen, Kritik der Mitglieder, Fans und der Öffentlichkeit sind für den FCB wichtig. Aber noch hilfreicher für den FCB sind mehr denn je Unterstützung, Solidarität und Optimismus. Und Menschen, die froh sind, dass wir überhaupt jemanden haben, der den Klub finanziell über Wasser hält. Das alles mal gesagt zu haben, geschah nicht, weil ich der Lakai von Burgener oder der Kofferträger von Heri bin und schon gar nicht deren Anwalt. Sondern weil die andere Seite von Yystoo bisher in dieser Thematik kaum zu Wort kam.