Presseschau

NZZ vom 21.11.2020

«Der FCB hat Strahlkraft verloren»

Reto Baumgartner ist neuer Präsident des FC Basel. Er sagt, unter Bernhard Burgener hätten Werte gelitten

Reto Baumgartner, Anfang Woche sind Sie zum Präsidenten des Vereins FC Basel gewählt worden. Bernhard Burgener bleibt weiterhin starker Mann, Verwaltungsratspräsident der AG und Besitzer. Hat Ihr Amt also bloss symbolische Bedeutung?

Das weiss ich noch nicht. Es hat es in der Geschichte des FC Basel noch nie gegeben, dass das Vereinspräsidium und das Verwaltungsratspräsidium der AG nicht in der gleichen Hand sind. Mein Ziel ist es nicht, eine Parallelorganisation auf die Beine zu stellen, sondern ein Miteinander zu erreichen.

Wie nehmen Sie den FCB wahr?

Der FCB ist in aller Munde. Seit ich Vereinspräsident geworden bin, werde ich überall angesprochen. Ohne abzuheben: Ich habe mich gefragt, ob ein Regierungsrat nach einer Wahl gleich viele Rückmeldungen bekommt wie ich in den letzten Tagen (lacht).

In den vergangenen zwei, drei Jahren ging es dem FCB in verschiedener Hinsicht nicht so gut.

Der FCB hat etwas von seiner Strahlkraft verloren. Nach der Ära von Bernhard Heusler war das zu erwarten, sportlich musste man damit rechnen. Es gibt aber auch Sachen, die man darüber hinaus nicht gut gemacht hat. Da hat die Bevölkerung einen anderen Anspruch an den FC Basel.

Man stellt eine gewisse Entfremdung zwischen Basis und FCB fest.

Ich würde nicht von Entfremdung sprechen. Wir haben keine Geschäftsführung, die abgehoben ist. Was ich mir aber mehr wünschte, ist Wertschätzung gegenüber den Menschen. Gegenüber den Mitarbeitern auf der Geschäftsstelle, den Spielern, Sponsoren, Fans. In diesem Bereich liegt Verbesserungspotenzial.

Sie sagten einmal, Sie wollten mehr Menschlichkeit. Hat es zuletzt an Wärme gefehlt?

Ja, das ist meine subjektive Interpretation.

Anfang Woche haben 2589 Vereinsmitglieder über Ihre Wahl abgestimmt. Sie sind mit über 90 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt worden.

Mit 93 Prozent, fast wie in einer Diktatur (lacht).

Was möchten die Leute, die Sie gewählt haben, von Ihnen? Dass Sie reparieren, was atmosphärisch im Argen liegt, seit Bernhard Burgener Klubbesitzer ist?

Ich spüre, dass mir sehr grosse Sympathie entgegengebracht wird. Aber ich weiss auch, dass die Erwartungen an mich hoch sind. Ich habe unzählige Mails bekommen, in denen man mir schreibt, jetzt werde alles wieder gut. Aber die Welt wird sich weiterdrehen. Und sie wird sich gleich weiterdrehen wie bisher. Die Besitzverhältnisse bleiben die gleichen, die Entscheidungsgewalt ist die gleiche: 75 Prozent der AG, die den Profibetrieb verantwortet, gehören Bernhard Burgener. Ich sitze im Verwaltungsrat der AG neben ihm und vertrete mit dem Verein lediglich 25 Prozent. Diesen Viertel will ich kritisch vertreten. Aber wer zahlt, befiehlt. Das ist mir sehr bewusst. Ich versuche, auf der moralischen Ebene Einfluss zu nehmen.

Moralisch?

Vielleicht ist dieser Begriff mit der rosaroten Brille gewählt. Der Fan will stolz sein auf den FCB. Und stolz ist man nicht nur, wenn man sportlich erfolgreich ist. Es geht um Fragen der Kultur, des Umgangs miteinander, der Kommunikation. Hier werden Hoffnungen in mich gesetzt. Es geht um die Veränderung einer Kultur.

Weil die Werte zuletzt gelitten haben?

Ja. Warum auch immer. Aber diese Werte haben gelitten.

Versteht man Sie als Gegengewicht zu Bernhard Burgener?

Vielleicht. So verstehe ich die Rückmeldungen, die ich bekomme. Aber man muss schon sehen, dass diese Gewichte nicht in der Balance sind. Die Ungleichheit des Einflusses ist eindeutig.

Werden Sie mitreden, wenn es darum geht, einen Spieler zu verpflichten?

Nein, das ist nicht meine Aufgabe als Vereinspräsident und auch nicht mein Anspruch. Natürlich würde ich als Privatperson gern mitreden und meine Meinung abgeben (lacht). Wer würde das nicht? Aber Transfers gehören zum operativen Geschäft.

Aber Sie schauen Herrn Burgener auf die Finger.

Bernhard Burgener weiss, was er macht. Er ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, da hat er eine gute Nase. Aber ein Fussballklub ist nicht immer gleich zu führen wie ein Unternehmen. Es ist nicht so, dass ich ihm auf die Finger schaue. Ich verstehe mich mehr als Echo der Basis, als eine Art Soundingboard.

Können Sie uns erklären, warum man Herrn Burgener in Basel nicht recht mag?

Nach der Ära Heusler wäre es für jeden Neuen schwierig gewesen. Bernhard Heusler war und ist ein brillanter Rhetoriker. Bernhard Burgener fühlt sich aus meiner Sicht in dieser Rolle bedeutend weniger wohl. Er wirkt lieber im Hintergrund.

Im Zug Ihrer Wahl zum Vereinspräsidenten sind Burgener und der CEO Roland Heri von den Mitgliedern nicht zur Wiederwahl in den Verwaltungsrat der AG empfohlen worden. Was bedeutet das?

Für mich ist es ein klarer Auftrag, wie ich mich stimmlich zu verhalten habe.

Nämlich?

Die beiden nicht zur Wahl zu empfehlen.

Ist das nicht schwierig für Sie?

Nein, überhaupt nicht.

Weil Ihre Empfehlung letztlich keinen Effekt hat.

Genau. Aber es ist auch ein klarer Auftrag der Vereinsbasis.

Aber die Nicht-Empfehlung hat eine gewisse Symbolik. Die Vereinsmitglieder sind latent unzufrieden mit Burgener und Heri.

Ich möchte gern die Gründe diskutieren, die zur Nicht-Empfehlung geführt haben. Wenn man die letzten drei, vier Monate isoliert betrachten würde, wäre es wahrscheinlich anders herausgekommen. Der FCB hat zuletzt die eine oder andere gute sportliche Entscheidung getroffen und die Kommunikation verbessert.

Die Bewegung «Yystoo für e FCB» möchte Burgener ganz weghaben. Ist das auch Ihre Meinung?

Ich teile diese Forderung nicht. Bernhard Burgener ist seit Jahrzehnten verbunden mit dem Klub und ist mit bestem Wissen und Gewissen der Besitzer. Wir können froh sein, jemanden wie ihn zu haben, der den FC Basel führt.

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Burgener beschreiben?

Es beschränkt sich auf eine professionelle Beziehung.

Wie stehen Sie zu Burgeners Politik? Was halten Sie zum Beispiel vom Engagement in Indien oder im Bereich E-Sports?

So viel ich weiss, ist das finanzielle Engagement im E-Sport überschaubar und deshalb auch vertretbar. Im Fall von Indien bin ich skeptischer. Dort besteht zwar ein riesiger Markt, aber ich glaube nicht, dass aus der Academy in den nächsten fünf bis zehn Jahren jemand beim FCB oder in Europa spielen wird. Ich kenne die Grössenordnung des finanziellen Engagements jedoch nicht. Wenn es zulasten eines Spielerkaufs gehen würde, fände ich das nicht toll. Aber ich gehe nicht davon aus, dass dies der Fall ist.

Ein Thema war zuletzt auch ein allfälliger Verkauf von Aktienanteilen ins Ausland. Von einer britischen Investmentfirma war die Rede.

Das geht für mich gar nicht. Wenn ein Verkauf stattfinden sollte, müssen die Aktien in Basel bleiben.

Sie würden versuchen, Ihren Einfluss geltend zu machen und sich dagegen zu wehren?

Mit Händen und Füssen.

In den letzten Monaten ist es ruhiger geworden rund um den FC Basel. Liegt das daran, dass man eine Mannschaft hat, von der man glaubt, sie könne um den Meistertitel spielen? Wäre dann alles wieder gut?

Nein. Es wäre vieles wieder gut, aber sicherlich nicht alles. Dem FC Basel werden ja nicht nur die fehlenden sportlichen Erfolge angekreidet. Aber ich gehe trotzdem sogar noch einen Schritt weiter: Der FC Basel hat eine Mannschaft, mit der man Meister werden muss.

Interview: Flurin Clalüna, Basel

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