Presseschau

Berner Zeitung vom 04.03.2021

Abstand, bitte!

Remis im «Spitzenkampf»: Die Young Boys halten einen mit Wut im Bauch agierenden FC Basel dank einem 1:1 weiter auf grosser Distanz. Bei den auf vielen Schauplätzen kämpfenden Baslern scheint die Konzentration aufs Tagesgeschehen schwierig.

Moritz Marthaler

Die Angst geht um in Basel. Angst um die sportliche Identität der Stadt, Angst, dass der FC Basel bald kein Club mehr «von da» ist, sondern zu einem grossen Teil «von dort» gelenkt wird. Die Übernahmegerüchte um einen Verkauf an die englische Investmentfirma Centricus treibt die Basler Anhänger in diesen Tagen am meisten um, mehr noch, als die Kommunikationspannen, die Hierarchieprobleme und Suspendierungen, die Fehlbesetzungen im Verein.

Vor dem Anpfiff in Basel installieren die Fans auf dem Barfüsserplatz ein rot-blaues Mahnmal. Bis zum Abend wächst das Mahnmal stetig, gestartet wurde es sinnbildlich direkt neben einem Mülleimer.

Ganz anders die Young Boys. Abfallend ist bei ihnen höchstens der Druck im Meisterschaftsrennen. Unbeirrt eilen sie von Erfolg zu Erfolg.

Start wie im Dezember

Die Berner machen im St. Jakob-Park da weiter, wo sie Mitte Dezember in Basel aufgehört haben. Damals, beim bis gestern letzten Aufeinandertreffen, schwebte über der Meisterschaft noch die Verheissung eines spannenden Frühlings. Der FC St. Gallen lag nur drei Punkte hinter YB, der FCB hatte sich mit einer stärkeren Zwischenphase in einer Verfolgerposition installiert. Doch YB spielte Basel an die Wand, führte früh mit 2:0 und zog seither davon. Und der FCB? Nebst der Contenance im Club hat er auch sportlich die Haltung verloren und seither kein einziges Heimspiel mehr gewonnen. Mit einer gewissen Wut im Bauch rennen die Basler am Mittwochabend an. Das 1:0 durch einen schönen Weitschuss von Darian Males ist nicht unbedingt eine Folge davon, weil es mehr durch Kunst denn aus Kombination entsteht. Und YB antwortet. Bis zur Pause schnüren sie den FCB regelrecht ein, kommen durch Sandro Lauper nach einer schönen Kombination über Silvan Hefti und Meschack Elia zum Ausgleich, haben über 65 Prozent Ballbesitz und weitere Möglichkeiten.

Gerardo Seoane verändert sein Team auch vor dem Spiel in Basel wieder auf sechs Positionen, der YB-Trainer hat seinen Rotations-Rhythmus in gleichem Masse gefunden wie die Mannschaft ihre Balance in den wechselnden Besetzungen. Dass Seoane vor dem Spiel sagt, es sei bei YB schon eine Herausforderung, es ins Aufgebot zu schaffen, ist bezeichnend.

Ein Trip nach Basel ist für die Young Boys derzeit nicht mit besonderer Aufregung verbunden und kommt höchstens einer kleinen Reise in ihre eigene Vergangenheit gleich. Es ist verblüffend, wie die Vorkommnisse in und um den FCB die schwierigsten Kapitel der jüngeren YB-Geschichte spiegeln. Und es muss für die älteren Spieler im Basler Kader, zu denen sich auch der eben abgesetzte Captain Valentin Stocker zählen darf, unangenehm zu beobachten sein, wie die Berner auf ihrem seit drei Jahren anhaltenden Höhenflug genau die Tugenden zeigen, welche die Basler während mehr als einer Dekade fast pausenlos an der Spitze hielten: Kontinuität im Verein, Souveränität im Spiel, dazu das während Jahren vom FCB gepachtete (und von YB aktuell kaum benötigte) Wettkampfglück des Champions.

Dass Basel gegen YB an diesem Mittwochabend kein Spitzenspiel ist, sagt vieles aus. Zuallererst über die Liga, weil da zwar der Erste gegen den Zweiten spielt, aber eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse auch vor dem Anpfiff nicht denkbar sind. Dann auch über den FC Basel weil, er nicht nur hinter die Young Boys zurückgefallen ist, sondern ihnen auch als ernsthafter Herausforderer dauerhaft abhanden gekommen scheint. Und schliesslich über YB.

Wie viel Abstand darf es sein?

In Basel powern die Berner auch im zweiten Durchgang weiter, lassen aber immer wieder Konter zu. Jean-Pierre Nsame sieht seinen bis dahin besten Versuch von Heinz Lindner pariert, dann zielt FCB-Stürmer Arthur Cabral nach einem Konter aus spitzem Winkel neben das Tor. YB wird gegen Ende des Spiels hin nachlässig, doch wirklich viel vermag der FCB aus der wenigen Luft, die ihm zugestanden wird, nicht herauszuholen. Es bleibt beim 1:1.

Nach dem Remis ist der Rückstand des FCB auf YB unverändert riesig, von einem Verfolger lässt sich weiterhin nur mit viel Wohlwollen sprechen. Eine Meisterfeier in Bern ist langsam aber sicher planbar - unter den aktuellen Auflagen selbstverständlich mit genügend Abstand. Im Gespräch sind 19 Punkte.

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