Presseschau

SonntagsZeitung vom 07.03.2021

Sforza ist doch nur Sforza

Der Trainer des FC Basel ist in seiner Entwicklung nicht weitergekommen - er tut sich schwer mit der Kommunikation und mit Spielern, die so sind, wie er es selbst war

Thomas Schifferle

«Präsident», sagte der Spieler, es war nachts um halb elf Uhr, «Präsident, ich muss mit dir reden.»

Der Spieler: «Wie lange machen wir das noch?»

Der Präsident: «Was?»

Der Spieler: «Wie lange schauen wir noch zu? Unsere Mannschaft ist ein führungsloses Schiff.»

Der gleiche Spieler war schon ein Jahr zuvor zum gleichen Präsidenten gegangen und hatte ihm gesagt: «So geht es mit diesem Trainer nicht mehr weiter. Gib mir die Mannschaft.» Der Spieler hiess Ciriaco Sforza, und der Trainer, der Monate später aufgab, war Kurt Jara.

Beim zweiten Anlauf zu einem Trainersturz und dem Vergleich mit dem Schiff überspannte Sforza den Bogen in Kaiserslautern. Der Basler René C. Jäggi, damals der Präsident in der Pfalz, hielt zu Michael Henke als Trainer, und Sforza war ab sofort kein Spieler mehr, 35 war er in jenem Oktober 2005. Jäggi gab ihm noch einen Rat mit auf den weiteren Weg: «Es ist besser, wenn Sforza bald Trainer wird. Und ich hoffe, dass ihm seine Persönlichkeit nicht im Weg steht, wenn er mit Spielern zusammenarbeitet, die sind wie er.»

Acht Monate später, im Sommer 2006, war Sforza Trainer. Beim FC Luzern stieg er ohne Aufwärmen gleich in der Super League ein. Nach einem bewegten Leben ist er nun in Basel. Das ist eine nochmals deutlich prestigeträchtigere Adresse - auch wenn der FCB nicht mehr der FCB von früher ist, seit Bernhard Burgener vor bald vier Jahren auf die Idee kam, ihn von Bernhard Heusler zu übernehmen.

Wenn Kampf in Basel schon für ein Lob reicht

51 ist Sforza am letzten Dienstag geworden. Ein kleines Geschenk zum Geburtstag machte ihm seine Mannschaft am Tag danach, als sie gegen die Young Boys ein 1:1 erkämpfte. So weit ist es mit ihr unter Sforza gekommen, dass sie schon dafür gelobt wird, wenn sie ihrer Pflicht nachkommt und Leidenschaft zeigt. «Das ist doch unser Job», sagt auch Sforza. Nachfrage: «Sind Ihre Spieler schwer von Begriff?» Antwort, ausweichend: «Es geht um Disziplin, um Einstellung.»

Gestern Samstag spielt der FCB in Genf gegen Servette, es gibt ein 1:2 nach einer schlechten Leistung. Es ist der Abschluss einer Woche, die speziell war, wobei die Wochen in Basel während der Burgener-Ära eigentlich immer speziell sind. Diesmal hat sie mit der Nachricht von der Suspendierung von Valentin Stocker begonnen. Am Barfüsserplatz, dem Platz mitten in der Stadt, wo sonst Titel ausgelassen gefeiert werden, haben Fans wegen der Sperre ihres «Vali» so etwas wie ein Mahnmal errichtet, Flaggen und Schals drapiert und Kerzen angezündet.

Die Fanseele kocht, obschon auf den ersten Blick nichts weiter passiert ist, als dass ein Millionenverdiener für ein paar Tage vom Trainingsbetrieb ausgeschlossen worden ist. Den Kopf soll er lüften, rät Sforza dem Spieler. Und lässt offen, was der Grund für die vorläufige Suspendierung des bisherigen Captains ist. Das fördert die Spekulationen und passt zu einem Verein, der etwas sicher nicht beherrscht: die Kommunikation.

Vom Diamantenschleifer zum Mängeltrainer

Dieser Tage hat eine Zeitung über Sforza geschrieben: Er sei der Trainer, der in der Basler Anhängerschaft in etwa so viel Begeisterung auslöse wie ein Glas ausgegossener Sirup, der erst drei Tage nach dem Kindergeburtstag unter dem Sofa entdeckt werde. Dabei ist Sforza nur Sforza. Er erinnert an den Trainer, der er einst bei GC war. Das spricht nicht für ihn, weil GC lange her ist, von 2009 bis April 2012.

Roger Berbig und Heinz Spross waren die treibenden Kräfte hinter seiner Verpflichtung, Erich Vogel, Vizepräsident und Sportchef in einem, wehrte sich vergeblich dagegen und verlor sein Mandat. Sforza kam für 336’000 Franken Jahreslohn, führte die Mannschaft in der ersten Saison auf Rang 3 und wurde von Urs Linsi, dem Nachfolger von Berbig als Präsidenten, zum «Diamantenschleifer» ernannt, weil er so gut mit Jungen umgehen konnte.

Von einem Diamantenschleifer war bald nicht mehr viel zu erkennen. Sforza sah sich dafür der Kritik ausgesetzt, nicht gut zu trainieren, und die «Neue Zürcher Zeitung» knöpfte ihn sich wegen seiner sprachlichen Mängel vor: «Es ist der Versuch, klüger erscheinen zu wollen, als es seine Sprache zulässt.» GC versank mit Sforza zweimal im Abstiegskampf. Mit der Entlassung im April 2012 wurde er davon befreit. Später sprach er offen über die psychischen Probleme, unter denen er gelitten hatte.

Als Trainer zog er weiter nach Wohlen, Thun und Wil. Nur in Thun war er nicht gut aufgehoben, nach zehn Spielen war der Versuch beendet. In Wohlen und Wil war das anders. Da konnte er ohne jegliche öffentliche Beobachtung leben. Er arbeitete am Ruf, ein guter Ausbildner zu sein.

Als dann im vergangenen August Basel rief, konnte er der Verlockung nicht widerstehen. Und seinen Wechsel bestätigte er vor laufender Kamera, obschon der Club ihn noch gar nicht bekanntgegeben hatte. So wenig war bei ihm an rhetorischem Geschick. Er ersetzte mit Marcel Koller einen gestandenen Trainer, der für sich einen Orden einforderte für das, was er in Basel alles aushalten musste.

Sforza ereilte das Pech, die neue Saison wegen Corona nicht wirklich vorbereiten zu können. Er verpasste die Gruppenphase der Europa League, scheiterte im Cup jämmerlich an Winterthur, und die Meisterschaft hat selbst er abgeschrieben, obschon er gelegentlich in einer Traumwelt zu leben scheint.

Ohne Führung ist Sforza auf Dauer verloren

Am Dienstag wird er bei einem Pressegespräch gefragt, was er zu den Vorwürfen an seinen taktischen Kenntnissen, an seinen Trainingsinhalten und Analysen sage. «Ich kann damit nichts anfangen», entgegnet er, «bitte kommunizieren Sie klar, woher Sie das haben, klar, offen und ehrlich. Dann gibt es auch eine ehrliche Antwort.»

Die Vorwürfe begleiten Sforza, sie werden immer wieder gestreut im Umfeld der Mannschaft, das latent unruhig ist und in dem viele ihre Eigeninteressen verfolgen. Valentin Stocker könnte schliesslich zum Verhängnis geworden sein, dass er nicht aufs Maul gesessen ist. Nach dem 2:6 am 17. Februar gegen Winterthur bemängelte er das fehlende Konzept im Spiel nach vorne. Seither hat er nicht mehr gespielt.

«Ist Stocker ein Spiegelbild von Ihnen?», wird Sforza gefragt. Eine Antwort gibt er nicht. Dabei müsste er nur in den Spiegel schauen, um zu wissen, wie ein solcher Spieler tickt. Sforza versuchte als Spieler immer, Politik zu machen.

Im Nationalteam arbeitete er erst gegen Artur Jorge. Als die Schweiz dann später einmal in Oslo auf dem Weg zu einem 0:5 war, setzte er sich vom Mittelfeld auf den linken Flügel ab, als wolle er nichts mehr mit Rolf Fringer und den Mitspielern zu tun haben. Oder als er das zweite Mal in Kaiserslautern war, opponierte er gegen Otto Rehhagel. Später erklärte er: «Ein Trainer müsste froh sein über eine Mannschaft, die sich mit Problemen befasst. Aber es kam nichts zurück. Was blieb mir da noch übrig? Nur der Gang an die Öffentlichkeit.»

Vielleicht hat Stocker jetzt gleich gedacht.

«Ich habe immer gern Leute, die mehr Verantwortung übernehmen», behauptet Sforza, «sie müssen nur auf dem Platz funktionieren.»

Sforzas Schicksal als Trainer ist, dass er einen Sportchef braucht, der ihm Leitplanken setzt und ihn führt. Das fehlte ihm bei GC, das fehlt ihm beim FCB. Ohne Führung ist Sforza auf Dauer verloren. Er kann nur hoffen, dass Bernhard Burgener das endlich auch einsieht. Aber die Frage ist: Wer führt eigentlich den Präsidenten?

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