Presseschau

Schweiz am Wochenende vom 03.04.2021

Sehnsucht nach dem Weissen Ritter

Der FC Basel liefert der Region einen Wirtschaftskrimi. Einblicke in die Innereien einer Auseinandersetzung.

Christian Mensch

Die Ausgangslage ist eigentlich einfach. FCB-Hauptaktionär Bernhard Burgener (63) hat sich mit seinem Minderheitsaktionär David Degen (38) überworfen. Nun möchte er ihn wieder loswerden. Dies ist allerdings nicht so einfach. Im Aktionärsbindungsvertrag hat er ihm sowohl ein Kauf- als auch ein Vorkaufsrecht eingeräumt.

Was tun? Burgener sucht sein Glück im Kleingedruckten: Am 12. Februar kündet er Degen an, er werde seine Anteile einer neuen Firma verkaufen. Die Frist von 30 Tagen laufe, in denen er sein Vorkaufsrecht geltend machen und 16,4 Millionen Franken beibringen könne. Er wünscht ihm dazu, so heisst es, viel Vergnügen. Das Kalkül, Degen lasse sich darauf gar nicht erst ein, geht jedoch nicht auf. Am 5. März vermeldet dieser, er werde von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Das Szenario, die Macht beim FC Basel abzugeben, ist bei Burgener jedoch nicht vorgesehen.

Burgener verkauft eigentlich an sich selbst

Als Unternehmer der Mediengruppe Highlight Communications stand Burgener schon mehrfach einem Antipoden gegenüber, der ihm ein Unternehmen abspenstig machen wollte. Einmal war es der Raider Florian Homm, einmal der Medienunternehmer Dieter Hahn. Zweimal wurde es äusserst knapp. Vielleicht hat Burgener den Ex-Fussballer Degen unterschätzt. Vielleicht hat auch nur dieses vermittelte Gefühl, unterschätzt zu werden, den gelernten Fussballspieler zum Widerstand angestachelt. Nicht einmal er selbst sieht sich als neuen Präsident des FC Basel.

Das Kernstück von Burge-ners Strategie: Er verkauft zwar seinen Anteil an der FC Basel Holding AG, doch an der neuen Firma Basel Dream & Vision AG wird er erneut über eine Stimmenmehrheit verfügen. Es ist ein Verkauf an sich selbst. Einen Partner hat er mit der Investmentgesellschaft Centricus gefunden. Diese sei bereit, bis zu 200 Millionen Franken in den Basler Club zu pumpen.

Die zentrale Figur De Gregorio

Zentrale Figur für die Verbindung zu Centricus ist Walter de Gregorio. Der ehemalige Journalist und PR-Chef der Fifa gehört seit Jahren zu Burgeners erweitertem Beraterstab. Zusammen mit dem verstorbenen Anwalt Martin Wagner – Burgeners engstem und wichtigstem Vertrauten – und mit Burgeners PR-Mann Aloys Hirzel hatte de Gregorio 2016 das Beratungsunternehmen Greg and Grey gegründet. Dieses wurde nach Wagners gewaltsamen Tod zwar ausser Betrieb genommen und wird unter neuem Namen vom Spieleragenten René Furrer geführt. De Gregorio, ebenso vernetzt im grossen Fussballuniversum wie in der kleinen Medienwelt, macht aber weiter mit seiner Einzelfirma WDG Consulting. Er positioniert sich als Dealmaker im Fussballbusiness – und dieses Geschäft ist im Umbruch.

Es ist absehbar, dass die Preise bei der Vermarktung der TV-Rechte einbrechen. Mit zudem sinkenden TV-Zuschauerzahlen fehlen auch die Sponsoren für die Banden- und Trikotwerbung, die mit den multiplizierenden Fernsehbildern kalkulieren. Das Geld im Fussball wird knapp, gleichzeitig fliesst neues. Investmentgesellschaften beteiligen sich nicht bloss an einzelnen Teams, sondern kaufen sich gleich bei Veranstaltern von Turnieren und Meisterschaften ein. Centricus war bereits bei einem solchen Projekt involviert, als Fifa-Präsident Gianni Infantino die Fussball-Klub-WM mit einer Milliardeninvestition ausbauen wollte.

Der FCB mit den engen geschäftlichen Verbindungen seines Präsidenten Burgener zur Uefa könnte für Centricus ein Mosaikstein in einem solchen europäischen Konzept sein. Alternativ böten sich in der Schweiz auch Beteiligungen an den Young Boys, an Servette oder selbst am FC St. Gallen an. Dem Vermittler De Gregorio dürfte es am Ende egal sein, in welchem Club Centricus Fuss fasst. Als provisionsabhängiger Erfolg wird verbucht, wenn es zu einem Abschluss kommt.

Für Burgener ist Centricus Chance und Risiko. Angesichts der geschmolzenen FCB-Reserven wären die kommenden Jahre finanziert, ohne dass er selbst Mittel bereitstellen muss. Doch gleichzeitig ist die Ablehnung der Fankurve gegen einen solchen Deal schwer zu durchbrechen. Sein grösseres Problem derzeit heisst aber ohnehin: Degen. Dieser kann aus formalen Gründen behaupten, er halte per Vorkaufsrecht seit dem 5. März 91 Prozent der Aktien der FC Basel Holding. Da der Verwaltungsrat der Übertragung nicht zugestimmt habe, sei der Kauf bloss noch nicht vollzogen.

Degens Kanzlei betreut auch die Fifa

Burgener sucht die Lösung erneut im Kleingedruckten. Entweder in Klauseln, weshalb Degens Gegenofferte nichtig sei, oder weshalb das Angebot in der Gesamtbetrachtung nicht genügt. Erstes wäre erfüllt, sollte Degen das Geld nicht selbst aufbringen, sondern bloss treuhänderisch halten. Zweites, so die Annahme, sollte Degen keine Investoren für die Zukunft des Vereins präsentieren. Nur: Die 200 Centricus-Millionen sind vertraglich nicht explizit festgeschrieben. In einer ersten Tranche ist die Rede von lediglich 20 Millionen Franken.

Einfach lässt sich Degen jedoch nicht austricksen, dafür hat er anwaltschaftlich aufgerüstet. Seine Hauptkanzlei ist die Zürcher NFK, die seit Jahren auch die Fifa betreut. Deren forensisches Team verfügt über eine hohe Expertise in Enforcement-Verfahren, um Spuren zu finden, ob die jeweils gegnerische Seite unsauber gearbeitet haben könnte. Für den Schauplatz Basel hat Degen zusätzlich die Kanzlei Böckli Bühler Partner an Bord geholt, die bei Gericht die superprovisorische Verfügung erreichte. Doch auch Burgener zählt auf verschiedene Kanzleien, etwa auf das Basler Büro Vischer.

Es wäre das Spiel von Martin Wagner, das hier ansteht. Verträge, so erzählte der Wirtschaftsanwalt jeweils nicht ohne Stolz, seien einzuhalten – ausser ein kalkulierter Vertragsbruch verspreche einen grösseren Nutzen als dass er Schaden anzurichten vermag. Folgt Burgener dem Vermächtnis des Vertrauten, stellt sich für ihn nicht allein die Frage, ob die Bedingungen für ein Vorkaufsrecht erfüllt sind, sondern ebenso, ob es den Preis wert sei, den es koste, um den Vertrag auszuhebeln.

Kommt jetzt Sarasin ins Spiel?

Die superprovisorische Verfügung, die Degen erwirkt hat, veränderte die Bedingung zu Ungunsten Burgeners. Würde er mit dem Verwaltungsrat nun einer Aktienübertragung an die Basel Dream & Vision zustimmen, stünde er nicht nur einer kalkulierbaren Schadensersatzforderung Degens gegenüber, sondern auch dem Vorwurf gegen strafrechtliche Bedingungen verstossen zu haben. Ein no go.

So wird der Krach über die Banden und damit über die Medien ausgetragen. Team Degen verlautet, Team Burgener versuche, Degen erneut in einen Deal mit Centricus einzubinden. Team Burgener verlautet, Degen wolle eine Millionen-Abfindung. Beide Seiten dementieren die Darstellung der anderen. Nicht repräsentative Umfragen ergeben alle das etwa gleiche Bild: Degen geniesst etwas mehr Sympathie als Burgener. Doch drei Viertel der Abstimmenden sind der Ansicht: Keiner der beiden soll künftig der FC Basel führen.

Ein weisser Ritter ist gesucht. Einer vielleicht wie der Ex-Bankier Eric G. Sarasin, der sowohl mit Degen als auch mit Burgener schon im Gespräch gestanden ist, sich jetzt jedoch in Schweigen hüllte. Finanzen sind in der Region Basel genügend vorhanden, die Verbundenheit zum Club ebenso. Doch Geld zu geben ist das eine, dafür hinstehen etwas anderes.

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