bz Basel vom 29.07.2023
Beim St.-Jakob-Park werden die Konzertveranstalter nicht Schlange stehen. Da hilft auch der Umbau nichts.
Benjamin Wieland und Andreas W. Schmid
Dass es in Basel heisst, in Sachen Grossevents könnte mehr gehen, ist nicht neu. Schon 1945 beklagte sich ein Leser in der Zeitung «Sport», dass Basel bei grösseren Veranstaltungen vernachlässigt werde: «Die sind uns alle von Bern, Zürich und Lausanne weggeschnappt worden.»
Er bezog sich bei seinem Lamento auf die grossen Fussballspiele. Auf die Heim-WM hin besserte sich die Situation, dank des neu errichteten St.-Jakob-Parks. Fortan war es Basel, das den anderen im Fussball regelmässig die grossen «Kisten» wegschnappte – etwa 1979 den Final des Cups der Cupsieger zwischen Barcelona und Fortuna Düsseldorf mit 58000 Fans.
Ab 1982 kamen im Joggeli noch gigantische Musikkonzerte hinzu: Die Rolling Stones machten den Anfang. Alle waren sie zufrieden, ausser dem FC Basel, der nachher oft wochenlang auf einem zertrampelten Rasen spielen musste. Aber weil er damals in der Nationalliga B keine 3000 Anhänger anlockte, hatte er nichts zu melden. «Irgendwo muss das Geld ja herkommen», sagte die Stadiongenossenschaft St. Jakob als Besitzerin.
«Mee Joggeli für alli!»: Sicherheit wird optimiert
Tempi passati. Nach dem Neubau des St.-Jakob-Parks 2001 fanden noch ein paar wenige Konzerte statt. Den letzten Musikact im Fussballtempel bestritt Helene Fischer vor fünf Jahren. Seitdem rollt im Joggeli «nur» noch der Ball. Letztes Jahr war zwar die US-Rockgruppe Foo Fighters angekündigt, doch dann starb Bandmitglied Taylor Hawkins an einem Drogen-Cocktail. Das Konzert musste abgesagt werden.
Auch in diesem Jahr gibt es – anders als in Zürich und Bern, wo sich die grossen Stars die Klinke in die Hand geben –, keine Musikevents im Stadion. Bedeutende Player wie Eventpionier André Béchir oder Thomas Dürr mit seiner Act Entertainment machen einen grossen Bogen um die Fussballarena. Das hat auch die Politik auf den Plan gerufen. Dabei hatte Christian Mutschler, der damalige Stadionverantwortliche, nach der Eröffnung noch frohlockt: «Es sollen etwa drei grosse Konzerte pro Jahr stattfinden.»
Nun liegen aber Pläne auf dem Tisch, dass der St.-Jakob-Park erneuert werden soll; vor einem Jahr wurde das Projekt «Stadion+» vorgestellt. «Im Zentrum der Massnahmen steht ein nachhaltiges Sanierungskonzept, das die Zugänge umstrukturiert, Sicherheit und Nutzungen optimiert und die Aufenthaltsqualität steigert», heisst es im Projektbeschrieb. Steigen damit auch die Chancen, dass in Zukunft wieder vermehrt grosse Musikevents veranstaltet werden? Schliesslich lautet der Slogan: «Mee Joggeli für alli!»
Andreas Kressler, der Präsident der Stadiongenossenschaft, erklärt, dass «solche Events möglich sein sollen und sie nicht an baulichen Hindernissen scheitern dürfen». Er ist überzeugt davon, dass das modernisierte Stadion künftig auch für Musikveranstalter wieder attraktiver werden wird. Er nennt ein Beispiel: Durch die Erneuerung würden die Nutzungsqualität und die Besucherströme optimiert. Dadurch könnten die Sicherheitsmassnahmen reduziert werden – «und mit ihnen auch die damit verbundenen Kosten, was wiederum die Veranstalter freut». Gleichzeitig gibt er zu bedenken, dass man nicht zu hohe Erwartungen haben dürfe, was die Zahl der künftigen Musikevents im Joggeli anbelangt: «Es wird am Ende eher ein als drei Konzerte pro Jahr sein.»
Zürich hat die Nase klar vorne – Bern ebenso
Denn der Hauptnutzer bleibt der FC Basel. Laut Mathieu Jaus, dem Geschäftsführer der Stadiongenossenschaft, gibt es mit dem FCB einen Mietvertrag, der ihm ganzjährig exklusiv die Terminhoheit über das Stadion gewährt. «Und da sieht es nun mal so aus, dass die spielfreie Zeit viel knapper ist als früher.»
Und manchmal wird sie durch die Sanierung des Rasens oder sonstige Renovationen zusätzlich verkürzt. So wurden unlängst die Anzeigetafeln ersetzt. Ein Musikkonzert wäre aufgrund dieser Bauarbeiten gar nicht möglich gewesen. Dass der FCB für ein Rockkonzert nicht in ein anderes Stadion ausweichen will, ist ebenso verständlich. Zumal die Gewinnmarge bei einer Vermietung, wie man aus rotblauen Kreisen hört, gar nicht so hoch sein soll, wenn man den zu leistenden Zusatzaufwand berücksichtigt.
Noch nicht klar ist, wie gross die Zuschauerkapazität für Rockkonzerte im erneuerten St.-Jakob-Park sein wird. Derzeit ist sie mit 40000 Konzertbesuchern eher zu klein. «Auch deshalb ist der St.-Jakob-Park derzeit kein Thema», sagt Veranstaltungspionier André Béchir, der nächstes Jahr den US-Superstar Taylor Swift im Zürcher Letzigrund auftreten lässt. Dort bringt er 47000 Zuschauer unter.
Die 7000 Tickets Unterschied von Zürich zu Basel machen bei Preisen von 168 Franken aufwärts schnell mal einen Mehrbetrag in Millionenhöhe aus. Für Béchir hat Zürich, was die Open Airs anbelangt, klar die Nase vorne. Vor Bern. Irgendwann folgt Basel. «Und zwar weit hinten, unter ferner liefen», sagt Thomas Dürr. Er hat sich längst den Ruf als Chefkritiker erarbeitet, was den Veranstaltungsort Basel anbelangt; allerdings weiss er auch wie kaum ein anderer, was Sache ist. Im St.-Jakob-Park hat er seit besagtem Konzert von Helene Fischer nichts mehr organisiert.
Die Lage an der Kantonsgrenze ist ein Makel
Die Infrastruktur im Joggeli würde ihm zwar gefallen: «Es gibt mehr Sitzplätze, und diese sind erst noch näher bei der Bühne als im Letzigrund mit seiner Leichtathletikbahn.» Aber ansonsten sei die Organisation eines grossen Konzertes in Basel sehr mühsam. Weil ein Veranstalter im St.-Jakob-Park aufgrund der örtlichen Lage mit zwei Kantonen und zwei Behörden zu tun hat.
Das mache alles unberechenbar. So erhielt er für das Helene-Fischer-Konzert von Basel-Stadt die Bewilligung mit dem Passus, dass für den Polizeieinsatz 1.80 Franken pro Zuschauer zu zahlen seien. Später schickte ihm Baselland zusätzlich eine separate Rechnung von über 16?000 Franken. Er wehrte sich vergeblich. Für Dürr ist deshalb klar, dass es mit dem erneuerten Stadion+ allein nicht gemacht sei, um wieder mehr Rockkonzerte anzulocken. «Es braucht auch bessere Rahmenbedingungen.»