Presseschau

bz Basel vom 26.11.2024

Ein goldener Herbst

Xherdan Shaqiri ist das Aushängeschild des FC Basel und personifiziert den Höhenflug bis auf Platz eins. Doch neben dem Topskorer der Liga gibt es weitere Erfolgsfaktoren.

Christoph Kieslich, Jakob Weber & Niels Sörensen

1. Xherdan Shaqiri: Das passende Teil im Puzzle
Man kann es drehen und winden und relativieren: Xherdan Shaqiri ist der Schlüssel. Punkt. Als Heilsbringer in Basel empfangen, liefert der Rückkehrer. Und wie. Gegen Servette setzte er die Shaq-Show mit einem Hattrick fort. Das ist ihm ausser zweimal im Nationaltrikot gegen Bulgarien und Honduras auf Klubebene zum ersten Mal gelungen. Fünf (sehenswerte) Tore hat er damit seit seiner Rückkehr in der Liga erzielt und sieben weitere vorbereitet. Macht zwölf Skorerpunkte in elf Spielen.

Seine tiefen Pässe finden ebenso Abnehmer wie seine stehenden Bälle. Alex Frei meinte am Sonntag als Sachverständiger bei «blue»: «Shaqiri ist das Puzzleteil, das wahrscheinlich gefehlt hat.» FCB-Trainer Fabio Celestini muss auch immer im Auge behalten, dass die Komparsen im Cirque du Shaqiri nicht vergessen gehen und findet in der ganzen «Wir sind wieder Tabellenführer»-Euphorie die Formel: «Shaqs Winner-Mentalität ist genau das, was unsere jungen Spieler brauchen.»

Shaqiri selbst strahlte am Sonntagabend über beide Backen, als er sagte: «Ich habe wieder sehr viel Freude am Fussball, mit dem FC Basel geht es wieder bergauf und wenn wir so weitermachen, kann in dieser Saison alles passieren.»

2. Die offensive Power und das defensive Gewissen
38 Tore in 15 Spielen macht 2,53 Treffer im Schnitt. Das zweitbeste Team (Luzern) kommt auf 1,8 Treffer. So viel Spass der Basler Offensivgeist bereitet, so verlässlich ist die Defensive: 16 Gegentore, also knapp ein Gegentor pro Partie. Das sind Werte, aus denen Titelaspiranten geschnitzt sind. Auch Lugano hat bislang nur 16 Gegentore zugelassen – und steht folgerichtig punktemässig gleichauf mit dem FCB auf Platz 2. «Es macht einfach Spass. Wir schiessen viele Tore und lassen hinten wenig zu», beschreibt Captain Dominik Schmid die aktuelle Gemengelage treffend.

Generell darf man festhalten, dass das Kader des FCB so homogen und ausbalanciert wirkt wie lange nicht mehr. Und mit den Erfolgen erzeugen nun wachsendes Selbstvertrauen, steigende Widerstandskraft und das Wettkampfglück eine sich gegenseitig befeuernde Wirkung.

3. Fabio Celestini: Der Trainer auf Mission am Standort Basel
Er hat es so noch nicht ausgedrückt, aber man kann es spüren: Fabio Celestini ist mit dem FC Basel auf einer Mission. Mantraartig hat er ein Jahr lang daran erinnert, in welcher Verfassung er den FCB als Tabellenschlusslicht übernommen hat und dass er nur ein Ziel verfolgte: ihn vor dem Absturz in die Challenge League zu bewahren. Und doch weiss Celestini nur zu gut, dass auch für ihn als Cheftrainer am Standort Basel grundsätzlich viel mehr möglich ist als bei seinen früheren Stationen (Lausanne, Lugano, Luzern, Sion) unter den damals gegebenen Umständen. Mit dem FC Luzern holte er den bisher einzigen Titel als Trainer (Cupsieg 2021), mit dem FC Basel ist nun noch mehr vorstellbar. Celestinis aktueller Verdienst ist, wie er nach einem vergleichsweise ruhigen Saisonbeginn die Ankunft Shaqiris moderiert hat, das System angepasst und darüber hinaus die letzten Transfers gewinnbringend in die Mannschaft integriert hat.

4. Die Kommunikation: Weniger ist mehr
Seit der Übernahme des Klubs war es eigentlich meistens so: Äusserte sich David Degen öffentlich, galt es hinterher aufzuräumen, zu beschwichtigeentschärfen. Bis man bald einmal das Gefühl hatte: Jedes Interview, das der Ex-Profi und Verwaltungsratspräsident nicht gibt, ist ein gutes Interview. Nun hat er sich nach längerer Pause zu Wort gemeldet im «Sonntagsblick». Und siehe da: Auf den ersten Blick gibt es nichts aufzuräumen, zu beschwichtigen und zu entschärfen. Aufhorchen liess höchstens, dass Degen dafür plädiert, dass sich die Schweizer Klubs in Zukunft selber vermarkten. Aber das ist eine andere Baustelle.

5. Daniel Stucki: Der Sportchef als Überredungskünstler
Eine Message hat Degen am Wochenende hinterlassen: Nebst der Heimkehr von Shaqiri, zu der er als bekennender Skeptiker von Rückholaktionen erst einmal überredet werden musste, bezeichnet Degen Daniel Stucki als eigentlichen «Königstransfer» des Jahres. Dieser Stucki, vom Nachwuchschef zum Sportdirektor befördert, habe ihn auch massgeblich davon überzeugt, dass Shaqiri Sinn macht. «Stucki hat eine klare Linie und kann Menschen führen», sagt Degen und fügt an: «Ich habe ein Dreivierteljahr um ihn gekämpft, dreimal hat er abgesagt und ich bin sehr froh, dass ich ihn habe. Seit er hier ist, ist Ruhe im Laden.» Und an Ruhe und einer damit verbundenen gewissen Stetigkeit hat es dem FCB in den vergangenen Jahren oft genug gemangelt.

6. Die Euphorie am Ticketschalter und im Fanshop
Der Jubel nach dem späten Tor von Xherdan Shaqiri zum 2:1 am Sonntag war riesig. Nach dem Sieg gegen St. Gallen im Oktober erlebten die Zuschauenden im Joggeli zum zweiten Mal innert fünf Wochen einen Basler Last-Minute-Sieg und die damit verbundene Gefühlsexplosion. Auch in der sportlich enttäuschenden letzten Saison konnte der FCB auf die Unterstützung seiner Fans zählen. Aktuell finden deutlich mehr Menschen den Weg ins Stadion. Nach sieben Heimspielen liegt der Schnitt bei 27’324 Zuschauern. Das sind 5108 mehr als in der letzten Saison und nur 1644 weniger als im Wankdorf durchschnittlich bei Meister YB zuschauen. Die Rückkehr von Shaqiri und die ansprechenden sportlichen Leistungen tragen ihren Teil dazu bei. Und so entsteht eine Wechselwirkung, dass der Funke vom besser gefüllten Stadion vermehrt auch auf die Mannschaft überspringt und Reserven freisetzt, die Spiele in der Schlussphase beeinflussen können.

Kommt hinzu, dass der FCB mit seiner Trikotinflation und vor allem mit jenen, die mit Shaqiris Namen bedruckt sind, einen Kassenschlager nach dem anderen generiert. Am Sonntag standen die Fans Schlange für Trikot Nummer 4, eine Sonderedition in Gold. Es hätte kaum passender sein können für den Basler Höhenflug im goldenen Herbst.

7. Die Konkurrenz spielt für den FCB
Die Tabelle der Super League vermittelt zweierlei: grosse Ausgeglichenheit an der Spitze und Spannung, die sich aus lediglich fünf Punkten ableitet, die zwischen den beiden Klubs an der Spitze (28 Punkte) sowie Lausanne (23) als Sechstem liegen. Vor einem Jahr hätten 28 Punkte nach 15 Runden nur für Rang 3 gereicht. Und der schwächelnde Meister YB liegt bereits elf Punkte hinter der Tabellenspitze und 14 Punkte hinter dem Vorjahreswert.

Der einmal mehr von der Spitze gestürzte FCZ verliert zum fünften Mal als Tabellenführer, woraus der «Tages-Anzeiger» schlussfolgert: «Acht Minuten zeigen, warum der FC Zürich kein Spitzenteam ist.» Die Verfolger FCZ, Servette und Luzern haben von ihren jeweils fünf jüngsten Spielen kumuliert lediglich drei gewonnen. Nur Lausanne konnte vier Ligaspiele in Folge gewinnen, Basel (3-mal), St. Gallen, Luzern und Lugano feierten drei Siege in Serie. Von Konstanz ist im Schneckenrennen um den Leaderthron bisher keine Spur.

Ausserdem gab es nach 15 nachholspielbereinigten Runden in der Super League bereits neun Leaderwechsel. Nur dem FCZ (an Spieltag 2) und Luzern (an Spieltag 8) gelang es als Leader, ein Spiel zu gewinnen. Alle anderen zwölf Tabellenführer verpassten im kommenden Spiel drei Punkte (sieben Niederlagen, fünf Unentschieden). Auch das gehört dazu, wenn man sich den Durchmarsch des FC seit dem 6. Oktober von Platz 7 auf 1 erklären will.

Dort zu überwintern, ist bei zwei ausstehenden Heimspielen (Lausanne und GC) sowie der Auswärtspartie in St. Gallen für Basel plötzlich eine realistische Verlockung.

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