Tagesanzeiger vom 07.12.2004
Bei unbewilligten Demos und gewalttätigen Aktionen setzt die Polizei vermehrt auf Einkesselung. Jüngstes Beispiel: Die Verhaftung von über 400 Basler Fussballfans in Altstetten.
Von Stefan Hohler
Zürich. - Bereits zum dritten Mal sind in diesem Jahr im Kanton Zürich unbewilligte Demonstrationen oder gewalttätige Aktionen mit der Einkesselungstaktik im Keim erstickt worden. Am 27. November wurde die unbewilligte Anti-SVP-Aktion in der Winterthurer Altstadt beendet, bevor sie richtig begann. Der Bahnhof wurde mit einem grossen Polizeiaufgebot abgeriegelt - rund 60 Politaktivisten wurden kontrolliert und einzelne verhaftet. Ein ähnliches Vorgehen war an der letzten 1.-Mai-Nachdemo in Zürich zu beobachten. An der Sihlbrücke wurde der Schwarze Block eingekesselt; es gab 257 Verhaftungen.
«Mit dem konsequenten Handeln haben wir gezeigt, dass die Polizei weder Gewalt noch Sachbeschädigungen toleriert», erklärt Stapo-Sprecherin Susann Birrer. Dass die Polizei nun bei weiteren unbewilligten Demonstration die Einkesselungstaktik wähle, sei nicht auszuschliessen. Man müsse aber jedes Mal eine genaue Lagebeurteilung vornehmen. Birrer betont, dass das konsequente Vorgehen von der SP-Stadträtin abgesegnet worden sei. «Esther Maurer steht hinter dem Einsatz.» Die Polizeichefin sei am Sonntag immer auf dem Laufenden und über den Ablauf des Einsatzes zufrieden gewesen.
Eine Person noch in Haft
Von den rund 650 Personen, die imExtrazug nach Zürich reisten, wurden am Bahnhof Altstetten 427, darunter 11 Frauen, vorübergehend verhaftet. Stadt- und Kantonspolizei waren mit mehreren Hundert Beamten vor Ort. Ein Anwesender will die Zahl von 500 gehört haben. Die verhafteten Fans wurden bis auf eine gewalttätige Person bis gestern Nachmittag wieder auf freien Fuss gesetzt. Die Mehrzahl wird mit einer Verzeigung rechnen müssen. Birrer vermutet, dass man erst im neuen Jahr die Fälle abschliessen könne.
FC Basel kritisiert Polizeieinsatz
Bei den Basler Fans und der Clubleitung ist man über das Vorgehen der Zürcher Polizei empört und wütend: «Wir distanzieren uns in aller Deutlichkeit von dieser Form von flächendeckenden Massnahmen», sagt Josef Zindel, FCB-Pressechef. Es hätten sich unter den Festgenommenen auch Kinder, Minderjährige und Familienväter befunden. Der FC Basel ruft nun die verhafteten gewaltfreien Fans auf, sich auf der FCB-Geschäftsstelle zu melden. Josef Zindel: «Die Rechtmässigkeit des Einsatzes muss hinterfragt werden.»
Ein FCB-Fan erklärt gegenüber dem TA, dass die Polizei willkürlich alle anwesenden Männer verhaftet haben. Das Verhalten der Polizei sei schlichtweg ein Skandal gewesen. Andere FCB-Fans gehen noch einen Schritt weiter und wollen gegen die Stadtpolizei klagen. Gemäss Radio 24 prüft die Menschenrechtsorganisation augenauf, ob eine gemeinsame Klage eingereicht werden soll.
Kein Kommentar der Basler Polizei
Bei der Basler Polizei will man das Vorgehen der Zürcher Kollegen nicht kommentieren. «Unser Auftrag war, darauf zu achten, dass die Fans in einem separaten Zug nach Zürich reisen und sich nicht unter die anderen Fahrgäste mischen», erklärt Polizesprecher Klaus Mannhart. Dies habe man erreicht.
Auftrag erfüllt, heisst es auch bei der Stadtpolizei Zürich. «Es ist uns gelungen, Sachbeschädigung und Ausschreitungen zu verhindern», meint Birrer. Das Resultat habe gezeigt, dass man die richtigen - sprich gewaltbereiten - Fans erwischt habe. Birrer gesteht aber, dass auch unschuldige Fans verhaftet wurden. Das sei bedauerlich. Aber nach den massiven Ausschreitungen beim Spiel FCZ - Basel vom 30. Oktober habe man nicht anders handeln können: «Wir mussten ein deutliches Zeichen setzen.» Dem können die Basler nicht beipflichten. «Das Vorgehen führt zu einer Verhärtung», befürchtet Josef Zindel.