Tagesanzeiger vom 28.07.2005
FINANZIERUNG Im Uno-Jahr des Sports ist die
grösste Herausforderung im Fussball nicht mehr zu
gewinnen, sondern zu überleben. Werbe- und
TV-Einnahmen scheinen ausgereizt. Es bleibt nur
noch die Fremdfinanzierung.
Die Berner
sollen im neuen Stade de Suisse den FC Basel das
Fürchten wieder lehren. Das nötige Geld dazu
sollen die Nachbarn liefern.
Von Daniel
Germann
Glücklich ist, wer einen Roman
Abramowitsch hat. Der russische Oligarch, der mit
Öl- und anderen Geschäften ein geschätztes
Vermögen von 13,3 Milliarden Dollar angehäuft hat,
kaufte dem englischen Fussballklub Chelsea in der
vergangenen Saison den ersten Meistertitel seit 50
Jahren. Kostenpunkt: mehr als 500 Millionen
Franken innerhalb von zwei Jahren.
Erfolg
ist im Fussball teuer und verlustreich. Das weiss
man nicht erst, seit der FC Servette im
vergangenen Januar mit 11 Millionen Franken
Schulden aus der nationalen Szene verschwand.
Ausserhalb von Manchester (United) und München
(Bayern) wirft kaum ein Klub ernsthaften Profit
ab. Trotzdem dreht sich die Lohnspirale weiter:
Vor zwei Wochen offerierte der FC Barcelona seinem
Star Ronaldinho 300 Millionen Franken für eine
Vertragsverlängerung bis 2014. Abramowitsch und
Chelsea hatten den Brasilianer
gelockt.
Verlust trotz
Zuschauerboom
Obwohl die Schweizer Klubs in
diesem Rennen um Geld und Macht auf verlorenem
Posten stehen, können auch sie sich der
Entwicklung nicht entziehen. Der FC Basel beendete
das letzte Geschäftsjahr, das wegen der Verlegung
des Rechnungsabschlusses 18 Monate dauerte, trotz
25 000 Zuschauern pro Spiel mit einem Verlust von
1,8 Millionen Franken. Die Marketing-AG, die zum
Grossteil Gigi Oeri gehört, verwandelte den
Fehlbetrag in einen kosmetischen Gewinn von 3916
Franken.
Trotzdem ist der FCB noch der
gesündeste der Schweizer Profi-Fussballklubs -
dank dem neuen St.-Jakob-Park, in dem er das
Publikum in Massen anzieht. Gemäss dem
Medienverantwortlichen Josef Zindel generiert der
FCB mehr als 70 Prozent der Einnahmen mit den
Zuschauern. Jedes Heimspiel beschert dem Klub
Nettoeinnahmen von bis zu 700 000 Franken.Dieser
Wert ist im nationalen
Fussballunerreicht.
Es ist eine
gegenseitige Erfolgs-geschichte: Der FCB hat in
den vier Jahren seit dem Umzug ins neue Stadion
fünfTitel gewonnen (dreimal Meister, zweimal
Cupsieger) und ist der Konkurrenz zumindest
finanziell entrückt. Und auch Basel United, die
das Stadion hält, floriert. Konkrete Zahlen will
CEO Christian Kern nicht nennen. Er sagt nur: «Die
Rechnung geht auf.» Der FCB ist im St.-Jakob-Park
zwar Aushängeschild und wichtigster Mieter. Aber
gemäss Kern stammen von den 12 Mio. Franken
Umsatz, die der Komplex jährlich macht, nur noch
43 Prozent aus dem Fussball.
YB dem Stadion
einverleibt
Nun macht sich in Bern eine
Gruppe mit dem sperrigen Namen «Stade de Suisse
Wankdorf Nationalstadion AG» auf, Basel zu
kopieren und mit dessen Mittel zu schlagen. Wie in
Basel soll das Stade de Suisse, das am Wochenende
eröffnet wird, mit seinem kommerziellen Mantel zum
Katalysator für den sportlichen Erfolg
werden.
Die Nationalstadion AG ging aber
noch einen Schritt weiter. Sie hat die Young Boys
nicht nur als Mieter ins neue Stadion geholt,
sondern sich den Berner Traditionsklub gleich
einverleibt. Das Konsortium, dem Phonak-Chef Andy
Rihs, der frühere Vögele-Finanzchef Urs Meile,
Benno E. Oertig, der Generaldirektor der
Inkassogesellschaft Intrum Justitia, und Peter
Jauch angehören, kontrolliert 96 Prozent der
Aktien und damit auch den Klub.
Jauch, der
einst auch Geschäftsführer des FC Basel war, ist
vom Erfolg des BernerModells überzeugt. «Wir haben
so die wirtschaftliche Voraussetzung geschaffen,
dass es Klub und Stadion gut geht.»
Jauch
erwartet, dass YB vorne mitspielt. Mit Zahlen aber
ist er zurückhaltend. Der Fussball soll im neuen
Center rund die Hälfte des Jahresumsatzes von 15
bis 20 Millionen Franken generieren. Dazu benötigt
YB einen Zuschauerschnitt, der «irgendwo zwischen
14 000 und 17 000 Besuchern liegt».
Dass
Jauch in seinen Zahlen vage bleibt, hat zwei
Gründe: Die Erfahrungswerte fehlen, und -
wichtiger - YB muss nicht um jeden Preis
rentieren. Vielmehr soll er erfolgreich spielen
und damit die Leute ins neue Wankdorf holen. Schon
vor dem Einzug haben Jauch und seine Partner
deshalb kräftig in die Young Boys investiert.
Während des vierjährigen Exils auf dem Neufeld
schossen sie rund 16 Millionen Franken ein, um den
Klub konkurrenzfähig zu halten. Auch künftig soll
YB quersubventioniert werden, auch wenn Jauch das
nicht explizit sagt. Er formuliert es so: «YB ist
das Herzstück des Stadions. Er muss am
wirtschaftlichen Erfolg partizipieren.»
13
Restaurants mit 850 Plätzen
Nicht der Klub
finanziert das Stadion, sondern das Stadion den
Klub. Das ist im Schweizer Fussball ein neues
Modell. Es hat aber ein nahes Vorbild auf der
anderen Seite der Berner Papiermühlestrasse. Dort
hat sich der SC Bern mit einer ähnlichen Strategie
zum rentabelsten Schweizer Sportunternehmen mit
jährlichen Millionengewinnen aufgeschwungen. Nach
dem Beinahekonkurs 1998 übernahm der
Konsumgüterkonzern Valora den Klub und verschrieb
ihm nicht nur eine rigide Kostenkontrolle, sondern
begann ihn auch zu diversifizieren.
Zur SCB
Eishockey AG gehört heute unter anderem eine
Gastronomie-GmbH mit 13 Restaurants und 850
Plätzen in und ausserhalb der Bern-Arena. Bereits
jetzt trägt der Gastronomiebereich mehr als ein
Viertel zum Jahresumsatz des Klubs von 23 Mio.
Franken bei. Momentan prüft er die Übernahme
dreier weiterer Betriebe in der Stadt. In einem
nächsten Schritt möchte der SCB die Eishalle
kaufen und auch für Anlässe ausserhalb des
Eishockeys nutzen.
Die Ansätze der beiden
Berner Grossklubs sind genau umgekehrt: Der SCB
möchte das Stadion betreiben, YB wird vom Stadion
betrieben. Die Überlegung dahinter aber ist
dieselbe: Das eigentliche Kerngeschäft, der Sport,
lässt sich allein durch Zuschauer- und
Werbeeinnahmen nicht mehr finanzieren. Deshalb
sollen branchenfremde Zweige wie Einkaufszentren
oder eben Restaurants die Kasse füllen.
Die
gegenseitige Abhängigkeit stösst ausserhalb von
Bern auf Skepsis. Christian Kern von Basel United
sagt: «Der Fokus der beiden Unternehmen ist
verschieden, sie rechnen in anderen Zeiträumen.
Wenn es nicht läuft, leiden beide darunter.»Er hat
zur Not einen Worstcase-Plan in der Schublade, der
es ihm ermöglichen würde, den St.-Jakob-Park auch
ohne Fussball mit Gewinn zu betreiben. Und der FCB
hätte im gegenteiligen Fall zwar keinen Roman
Abramowitsch, aber immer noch Gigi Oeri.