Presseschau

Basler Zeitung vom 17.05.2014

«Ich kenne mich nirgends besser aus»

Yann Sommer ist Basler und wird Basler bleiben – auch wenn er kein Baseldytsch spricht und zu Gladbach geht

Von Tilman Pauls und Oliver Gut

BaZ:

Yann Sommer, haben Sie sich schon einen Song für das letzte Spiel gegen Lausanne ausgesucht?

Yann Sommer:

Einen Song?

Als Christian Gross den FCB verliess, durfte er sich bei seinem letzten Spiel ein Lied wünschen – «Tougher Than The Rest» von Bruce Springsteen. Wie würde Ihre Wahl ausfallen?

Keine Ahnung. Wenn ich ehrlich bin: Ich habe mir noch keine Gedanken gemacht, was am Sonntag passiert. Der Abschied wird für mich nach dieser langen Zeit sicher sehr speziell.

Wissen Sie denn schon, wie Sie sich von den Fans verabschieden werden?

Nein. Aber es wird ein Dankeschön von mir an die Fans geben, das ist klar.

Ist für Sie schon jetzt klar, dass Sie im Tor stehen werden?

Natürlich, es ist das letzte Spiel für den FCB vor eigenem Publikum, das möchte ich nochmals voll geniessen.

Danach ist das Kapitel FCB für Sie abgeschlossen.

Ja, zumindest vorläufig. Aber erst nach dem Abpfiff.

Wenn Sie zurückblicken auf Ihre Zeit in Basel – erinnern Sie sich noch an Ihre schönste Parade?

Es war nicht die schönste, aber der gehaltene Penalty gegen Molde in der Qualifikation zur Champions League ist noch in bester Erinnerung. Ich habe in der Situation zum Glück gar nicht begriffen, was auf dem Spiel steht. Aber es gibt auch andere Aktionen: ein Freistoss auf Schalke, ein Schuss in Lissabon, unten rechts (fährt die rechte Hand aus), das waren schöne Paraden – aber längst nicht so wichtig wie die gegen Molde.

Und Ihre unglücklichste Szene?

Schwierig, da gibts einige Szenen. In der Vorsaison in Lausanne hatte ich zum Beispiel mal einen Bock, als ich mir den Ball zu weit vorgelegt hatte.

Das insgesamt beste Spiel?

Der 1:0-Sieg zu Hause gegen die Bayern. Da hatte ich viel zu tun und habe trotzdem kein Gegentor bekommen.

Das Spiel, wo gar nichts klappte?

Das 0:7 in München. Da war schnell klar, dass wir nichts holen können.

Das eindrücklichste Erlebnis?

Das war sicher in meiner ersten Saison als Stammgoalie. Zum Beispiel das 2:1 gegen Manchester United. Es gibt viele schöne Stadien: Old Trafford, Da Luz, Allianz Arena. Aber wenn das Joggeli voll und die Stimmung gut ist, ist das unbeschreiblich.

Ist das Joggeli auch der Ort, den Sie am meisten vermissen werden?

Natürlich, das Joggeli zählt zu meinen Lieblingsorten.

Was werden Sie sonst vermissen?

Vieles. Das angenehme Gefühl, das einem der FCB gibt, meine Mitspieler aus dieser langen Zeit …

Und abseits des Clubs?

Meine Familie und meine Freunde, wobei die mich ja hoffentlich mal besuchen werden. Und natürlich die Stadt: Ich lebe hier, seit ich acht Jahre alt bin. Das ganze Flair, das nur Basel hat, das Gemütliche, Unkomplizierte, das Angenehme, wird mir sehr fehlen.

Wo geht Yann Sommer hin, wenn er von Gladbach aus Basel besucht?

Zu meinen Eltern, da fühle ich mich am wohlsten. Sonst sicherlich in Restaurants, die ich mit meinen Freunden immer besucht habe. Aber ich kenne Basel in- und auswendig, da muss ich nicht jedes Mal zum Münster hochlaufen, um zu schauen, ob der Rhein noch da ist.

Werden Sie in Ihrer Karriere nochmal für den FC Basel spielen?

Möglich. Ich weiss, wie es ist, in Basel Fussball zu spielen, und fände es sehr schön, zurückzukehren wie ein Alex Frei oder ein Marco Streller. Aber das ist auch eine Frage des Timings und nicht nur des Willens – es muss für beide Seiten zum identischen Zeitpunkt das Richtige sein.

Fühlen Sie sich als richtiger Basler?

Definitiv. Auch wenn Sumiswald im Emmental mein Heimatort ist und ich in Morges geboren bin – ich bin mit sieben, acht Jahren hierhergekommen, bin hier zur Schule gegangen, alle meine Freunde sind aus Basel, ich kenne mich nirgendwo besser aus.

Ihrem Dialekt hört man es aber nicht an.

Ja, ich habe da meinen eigenen Mix aus Züri- und Baseldeutsch. Wenn man als kleines Kind von Lausanne nach Zürich zieht, wird man vom ersten deutschen Dialekt geprägt.

Könnten Sie denn einen Schnitzelbangg in reinem Baseldytsch schreiben?

Ich denke schon, zumindest mit ein, zwei kleinen Fehlern. Wenn ich meinen Freunden schreibe, klappt das ja auch. Wobei ich meine Schrift anpasse: Mit Freunden aus Zürich schreibe ich eher Zürichdeutsch, mit Baslern eher in ihrem Dialekt – auch wenn ich manchmal etwas nachdenken muss.

Künftig wird sich die Frage für Sie ohnehin kaum stellen, wenn Sie in Düsseldorf leben. Kennen Sie die Region bereits?

Noch nicht wirklich, nein. Ich war einmal dort, habe mich ein bisschen umgesehen wegen einer neuen Wohnung. Aber das war es schon.

Auch wenn Sie keinen Kulturschock erleben – Sie erwartet ein anderes Leben.

Klar, es ist eine neue Stadt, ein neues Umfeld und weit weg von daheim. Das wird aber kein Problem sein, ich bin auch mit 17 Jahren schon von Zuhause ausgezogen.

Ist Yann Sommer ein Abenteurer?

In gewisser Weise schon, ja. Aber ich will mich nicht beschweren: Das ist das, was ich immer wollte. So lange dauert die Karriere eines Fussballers ja nicht, und ich wollte immer auch mal etwas anderes sehen.

Wären Sie der Typ, der auf eigene Faust mit dem Rucksack in die Wildnis zieht?

Wieso nicht? Ich habe es noch nie gemacht, aber ich schliesse es nicht aus.

In Tallinn hat man Sie nach dem Spiel schon in der Stadt angetroffen. Sie wollen schon mehr sehen als nur das Hotel.

Ich war in meinem Leben schon in vielen Ländern, fast überall, und habe so wenig gesehen. Flughafen, Stadion, Hotel und wieder zurück. Wenn es dann mal die Chance gibt, die Stadt zu sehen, will ich das auch nutzen – selbst wenn es spätabends nur eine Bar in der Innenstadt ist.

In Düsseldorf wartet die längste Theke der Welt auf Sie – leuchten da die Augen von Yann Sommer?

Sagen Sie es mir: Leuchten sie?

Ein bisschen.

Ich habe davon erst vor Kurzem erfahren, ein Freund hat es mir erzählt. Das war aber nach der Unterschrift, das müssen Sie mir glauben (lacht).

Schon einmal ein Altbier getrunken?

Nein, aber ich werde es probieren.

Wie haben Sie es denn sonst mit den Theken auf dieser Welt?

Ich verstehe mich gut mit ihnen. Es gibt ja auch in Basel einige, die ich zuletzt aber kaum sah.

Yann Sommer an der Theke – das passt so gar nicht zu Ihnen.

Jetzt kommen Sie wieder mit dem perfekten Schwiegersohn.

Ist es denn nicht so?

Ich finde, das Bild ist einfach nicht hundertprozentig zutreffend. Ich stelle mir beim perfekten Schwiegersohn immer Mokassins, Anzug und Krawatte vor – und das bin ich einfach nicht. Die Leute, die mich von früher kennen, wissen das.

Es gibt also doch Skandale von Ihnen?

Es gäbe sicher Sachen, die ich besser nicht gemacht hätte. Aber das hat ja nie jemand erfahren (schmunzelt).

Jetzt können Sie es ja erzählen.

Das hätten Sie gerne. Ich kann nur sagen: Wenn ich mit Freunden unterwegs bin, bin ich nicht der Fussballer Yann Sommer, der ständig aufpasst, was er macht. Es ist aber auch nicht so, dass ich jedes Wochenende nackt durch die Freie Strasse renne.

Schon geraucht?

Ich habe es probiert.

Gekifft?

Nein, natürlich nicht.

Geklaut?

Ich müsste mich schwer täuschen, aber ich denke, ich habe nie etwas mitgehen lassen.

Sind Sie auf dem Platz auch so ehrlich?

Ich hatte in Vaduz mit dem damaligen Schiedsrichter Massimo Busacca mal so eine Situation: Ich habe den Stürmer gefoult, Busacca aber hat daraufhin Freistoss für mich gepfiffen. Dann habe ich ihm gesagt: «Hey, das war mein Foul.» Wir haben dann dank dem Penalty nur unentschieden gespielt. Nach dem Spiel waren alle wütend auf mich.

Wie sieht es eigentlich aus, wenn Yann Sommer mal wütend ist?

Es braucht schon eine Menge, damit ich richtig wütend werde. Ich kann zum Glück schnell abschalten und habe meine Emotionen im Griff. Trotzdem spreche ich Dinge an, wenn es mal gemacht werden muss.

Aber es muss doch nerven, dass vor lauter Gerede über Nivea-Werbung solche Dinge unter den Tisch fallen.

Nein. Es ist ja kein schlechtes, sondern, im Gegenteil, ein sehr positives Bild, das man von mir hat. Und die Werbeverträge finde ich super und habe sie mir deshalb ausgesucht.

Wird jetzt eigentlich einmal im Monat ein Lastwagen nach Düsseldorf fahren, um Sie mit Shampoo zu versorgen?

Nein, so läuft das nicht, wenn man Werbeträger ist. Aber ich kann Produkte bestellen, wenn ich das will. Das hält sich bei mir allerdings im Rahmen – auch wenn mir einige das nicht zutrauen (schmunzelt).

Bei Borussia Mönchengladbach verlässt mit Marc-André ter Stegen ein Publikumsliebling den Club. Es ist durchaus vergleichbar mir Ihrer Situation vor drei Jahren beim FC Basel. Wie sehr trauen Sie sich denn zu, dass Sie nach Costanzo auch ter Stegen rasch vergessen machen?

Es ist normal, dass die Fans Mühe haben, wenn eine Integrationsfigur den Club verlässt. Ich war damals noch jung und es war nicht einfach, Nachfolger von Franco Costanzo zu sein. Ich weiss, dass mich in Gladbach eine ähnliche Situation erwartet. Mein Ziel ist und war es nie, Franco Costanzo oder Marc-André ter Stegen vergessen zu machen.

Sondern?

Ich will einfach ein guter Goalie sein.

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