Presseschau

Basler Zeitung vom 26.02.2019

Von den bittersten Pillen bis zum süssesten Sieg

Die letzten fünf Cup-Fights zwischen dem FC Basel und dem FC Sion schrieben grosse Geschichten

Von Oliver Gut

Basel. Ein Blick auf die Startaufstellung vom Samstag genügt, um zu beant-worten, wie wichtig der Schweizer Cup für den FC Basel in dieser Saison geworden ist. Gleich vier Stammspieler schonte Trainer Marcel Koller in der Meisterschaftspartie bei Neuchâtel Xamax (2:0), obwohl doch genügend Zeit zur Erholung geblieben wäre. Die Antwort lautet deshalb: überaus wichtig. Fast so wichtig wie für den FC Sion.Das ist der morgige Gegner in den Viertelfinals. Und das ist der Club, für den der Pokal-Wettbewerb im Laufe der Geschichte gross und grösser wurde, weil man darin überdurchschnittlich erfolgreich war und damit einen ganzen Kanton in Euphorie versetzte.

Die ersten 13 Finals, welche die Walliser bestritten, gewannen sie allesamt – bis 2017 ausgerechnet der FC Basel diesen Mythos beendete.

Die Sittener werden deshalb morgen bestimmt auch auf Rache sinnen, wenn sie die Basler in ihrem Stade de Tourbillon empfangen (20.30 Uhr, SRF 2). Ein heisser Tanz würde es für die Rotblauen allerdings auch ohne diese Walliser Extramotivation werden. Das zeigt ein Blick auf die vergangenen fünf Cup-Fights:

1982, Final in Bern: Sion–FCB 1:0

Balet und seine Faust

Beat Sutter erinnert sich auch heute noch an die Partie, die für ihn eine ziemlich schmerzhafte gewesen ist: Der junge Angreifer, der eben erst von Gelterkinden zum FCB gewechselt ist, versucht mit einer insgesamt in die Jahre gekommenen Basler Mannschaft eine Erfolgs-Ära zu verlängern. Dann kommt die 21. Minute, ein Bregy-Freistoss für Sion – und die Faust von Alain Balet, die Sutter im Gesicht trifft, bevor der Sion-Verteidiger den Ball völlig freistehend einschiessen kann.

Es ist die emotionalste wie auch die entscheidende Szene dieses Pfingstmontags im Berner Wankdorf. Sutter verliert kurz das Bewusstsein und der FCB die Partie mit 0:1. Der FC Sion feiert seinen vierten Cupsieg. Noch ist nicht von einem Mythos die Rede.

2013, Halbfinal: Sion–FCB 0:1

Stocker und sein Kopf

Es vergehen drei Jahrzehte, bis sich Sion und Basel wieder im Cup treffen. Drei Jahrzehnte, in denen die Walliser acht weitere Cupsiege feierten. Drei Jahrzehnte aber auch, in denen der FCB nach viel Dunkelheit und NLB längst auferstanden und zur grossen Macht im Schweizer Fussball angewachsen ist.

Wem die Favoritenrolle in diesem Halbfinal im Tourbillon gebührt, ist unklar – und entsprechend zähflüssig entwickelt sich auch eine Partie, welche für die Basler in Anbetracht von Meisterschafts-Zweikampf mit GC und Europa-League-Run bis in die Halbfinals kein Highlight ist. Dann tankt sich Marco Streller in der 73. gegen Léo Lacroix durch und flankt zurück auf Stocker. Kopfball. 1:0. Entscheidung.

Juni 2015, Final in Basel: FCB-Sion 0:3

Sousa und seine Kleider

Der FCB steht als Meister fest und Trainer Paulo Sousa treibt hinter den Kulissen seinen Abgang nach Florenz voran. Zum Cupfinal im St.-Jakob-Park erscheint er so, wie er es im Cup immer getan hat: In den Trainingskleidern – und mit der Intensität eines Trainingsspiels tritt seine Mannschaft auch auf.

Das reicht gegen hoch motivierte Walliser, die in Basel eine Heimkulisse geniessen, bei weitem nicht: Der FCB wird überrollt, nach 50 Minuten steht es 2:0 für die Sittener und ist der rotblaue Gigant geschlagen. Marco Streller kommt weder in der 73. noch in einer anderen Minute an Léo Lacroix vorbei, sondern macht in der 74. Minute Albian Ajeti Platz. Es ist das letzte Karrierespiel des Captains – und es ist nicht nur für ihn ein ganz düsterer Nachmittag.

Dez. 2015, Viertefinal: Sion–FCB 2:2; 4:3 n.E.

Salvi und seine Chance

Wenige Monate danach winkt bereits die Chance auf eine Retourkutsche: Im Dezember reist der FCB zum Cup-Viertelfinal ins Tourbillon. Allerdings mit Handicap: Mit Mirko Salvi steht nur die Nummer 3 zwischen den Pfosten – und das ziemlich unverhofft: Nachdem Tomas Vaclik länger ausgefallen war, hat es unter der Woche in der Europa League in Posen auch Backup Germano Vailati erwischt. Bei einem Abstoss ist er weggerutscht und hat sich verletzt.

Die 45 Minuten, die Salvi in Polen eingesprungen ist, sind gut verlaufen. In Sion kassiert er zwei Gegentore, kann aber im Elfmeterschiessen zum Helden werden. Doch Salvi wird kein Held: Er pariert keinen Sion-Schuss, Ziegler scheitert an der Latte. Und weil von den Basler Schützen sowohl der Isländer Birkir Bjarnason als auch der Argentinier Walter Samuel versagen, reisst eine schöne Basler Serie: Zuvor war Rotblau viermal in Folge im Cupfinal gestanden.

2017, Final in Genf: Sion–FCB 0:3

Heusler und seine Worte

Die letzten drei dieser vier Finals sind allerdings verloren gegangen. Und jedes Mal hatten die Basler dabei so gewirkt, als ob ihnen in Anbetracht des Meisterschafts-Dauererfolgs jene Extraportion Leidenschaft fehle, die es für einen finalen Cup-Erfolg braucht. Die Gefahr, dass sich die Geschichte 2017 wiederholt, scheint gross: Der Final-Austragungsort Genf ist weit weg von Basel, der Meistertitel längst gesichert und Trainer Urs Fischer eine lahme Ente. Es ist bekannt, dass er den Club nach Saisonende verlassen muss. Noch dazu türmen sich die in Cupfinals unbesiegbaren Walliser vor den Rotblauen auf.

Es kommt alles anders – auch, weil zuvor alles anders ist: In seinem letzten wichtigen Spiel als Präsident des FC Basel spricht Bernhard Heusler vor der Partie in der Kabine zur Mannschaft. Etwas, das er sonst nie tat, und etwas, das er beherrscht wie kaum ein anderer.

Die Basler kaufen danach den Sittenern vom Anpfiff an den Schneid ab. Symbolisch dafür stehen der kleine Terrier Taulant Xhaka, der nun sogar jedes Kopfballduell gewinnt, und der feingliedrige Luca Zuffi, der in der Startviertelstunde zum Erstaunen aller zweimal zeigt, dass er auch grätschen kann. Sion kommt nie in diese Partie, und als Matias Delgado in der 47. Minute das 1:0 für den FCB erzielt, ist der Bann gebrochen. Der Mythos FC Sion versinkt am Genfersee in den Tränen der Walliser Fans – und Basel feiert.

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