Presseschau

NZZ vom 17.08.2019

Das Volksfest ist belastet

Dem Schweizer Fussball-Cup setzt die Sicherheitsproblematik zu – nicht erst vor dem Final

Peter b. birrer

Es ist, als habe das eine nichts mit dem anderen zu tun. Cup-Party mit dem FC Zürich hier, Cup-Angst mit dem FC Zürich dort.

Vor einem Jahr empfing der FC Breitenrain im Schweizer Cup den FC Zürich. «Das war kein Problem», meldet der Stadtberner Quartierklub, «wir haben die Fussballfans wie Gäste behandelt.» Es gab einen Zürcher Fanmarsch vom Hauptbahnhof ins Berner Nordquartier, eine Zusatztribüne, ein paar Toi-Toi-Klos, nicht überhöhte Eintrittspreise, 900 Zuschauer und ein paar Tausender Gewinn. Einige Zürcher Anhänger hätten sogar beim Verkauf der Grillwürste geholfen, als es dort einen Engpass gegeben habe, heisst es im FC Breitenrain. Die Schilderung mag auch verklärend sein. Doch die Botschaft ist: ruhig bleiben, durchatmen, profitieren, keinen Fan-Teufel an die Wand malen.

Am Samstag könnte für den Basler Quartierklub Black Stars Feststimmung sein: Schweizer Cup. Der FC Zürich beehrt den Kleinklub aus der Promotion League. Aus Sicherheitsgründen findet der Match auf der Schützenmatte und nicht auf der Sportanlage Buschweilerhof statt, wo die Black Stars zu Hause sind. Jetzt lauten die Stichworte: Hochsicherheitsspiel, problematischer Fanmarsch vom Hauptbahnhof ins Quartier der Schützenmatte, Fluchtwege und Sicherheitskosten von gegen 100 000 Franken. Weil anlässlich eines Cup-Spiels zwischen den Black Stars und dem FCZ vor ein paar Jahren ein Grillstand verwüstet wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass am Samstag ein paar Zürcher den Baslern beim Grillieren helfen. Peter Faé, der Sportchef der Black Stars, fragt sich vielmehr: «Wer verkauft im FCZ-Sektor Würste?»

Die Kantone bezahlen

Wer sich unter Amateurklubs umhört, bekommt schnell mit, wie ambivalent die Haltung zum Schweizer Cup ist. Willkommenskultur hier, Bedenken dort. Der FC Allschwil (2. Liga) nutzt den Match gegen den FC Sion, indem er hinterher in einem Festzelt 300 Leuten Walliser Spezialitäten auftischt. «Nicht mehr ausgeben als einnehmen», lautet der im Fussball nicht weit verbreitete Leitsatz des FC Allschwil. Das Ziel ist eine schwarze Null. Als Absicherung würde die Gemeinde ein allfälliges Defizit übernehmen.

Kostentreiber im Cup sind Zusatztribünen und der Sicherheitsaspekt. Die Auflagen sind rigoros. Da die Abgeltung der Polizeieinsätze kantonal geregelt wird, divergiert die Ausgangslage. Doch meistens greifen die Behörden den Klubs unter die Arme. Die Basler Polizei entbindet die Black Stars von Sicherheitskosten von 86 000 Franken. Die AS Calcio Kreuzlingen (2. Liga interregional), die auf den FC Luzern trifft, stellt dem Thurgauer Regierungsrat einen Antrag, von den Sicherheitskosten (50 000 Franken) entlastet zu werden. Der FC Pully Football (2. Liga) hofft vor dem Match gegen den FC Basel, dass ihm Gleiches widerfährt wie dem FC Echallens vor einem Jahr: dass ihm die Waadtländer Regierung die Polizeikosten von fast 40 000 Franken erlässt.

Die Handhabung ist kantonal unterschiedlich. Im Waadtland ist die Lage insofern speziell, als die Klubs nicht wissen, woran sie sind – und von einem stillen Kostenerlass ausgehen. Vor ein paar Jahren stotterte der FC Baden nach einem Cup-Spiel gegen St. Gallen über ein paar Jahre seinen Anteil am Polizeiaufwand ab. Die Wiederholung 2017 wurde nur deshalb möglich, weil die Polizei ihren Einsatz staffeln konnte. Am gleichen Nachmittag spielte nicht weit entfernt von Baden der FC Gränichen gegen den FC Sion.

Der Sicherheitsaufwand ist ein Zankapfel im Schweizer Fussball. Während die Cup-Final-Städte koordiniert vorgehen und dem Schweizerischen Fussballverband (SFV) einen grösseren Anteil an den steigenden Sicherheitsausgaben aufbürden, bezahlen in den frühen Cup-Runden die Kantone den grössten Teil der Rechnung. Oder gleich alles. Fussball als Volksfest, als Service public. Verständlich ist, wenn sich Vertreter aus dem Amateurfussball in Anbetracht der Prämie für die 1. Cup-Hauptrunde (3000 Franken) darüber auslassen, wo der SFV sonst «Geld verlocht». 2018 gingen im Cup gegen 2 Millionen Franken an die Klubs. Allein die WM-Prämien an Spieler, Trainer und Staff beliefen sich dagegen für den SFV im gleichen Jahr auf 8,5 Millionen.

In Deutschland erhalten die Teilnehmer der ersten Cup-Runde umgerechnet je 190 000 Franken. Die Teams unterer Ligen können sich damit sanieren oder in den Bau einer Tribüne investieren, zumal der Betrag bereits in der zweiten Runde auf über 500 000 ansteigt. Andere Welten.

Schweizer Fussball auf dem Land funktioniert nur im Zusammenschluss. Ehrenamtliche Arbeit, lokale Sponsoren, Tombola und Handwerker, die dem Klub entgegenkommen. Kreuzlingen nahm über einen Losverkauf, mit dem das Trikotsponsoring vergeben wurde, 40 000 Franken ein. Die Hoffnung: ein paar Tausender in der Kasse. Der FC Gränichen ist in der Region stark verwurzelt und hatte 2017 gegen den FC Sion 3200 Zuschauer und bei einem Budget ennet der 100 000er-Grenze 20 000 Franken Gewinn. «Wetterglück und der Zuspruch des ganzen Dorfes trugen zum Erfolg bei», sagt der Klubpräsident Samuel Keppler. Ein Stadtklub wie Concordia Basel wird weniger lokal getragen. Die Sponsorensuche ist schwieriger als auf dem Land, der Zusammenhalt weniger gross. Die Handwerker, die husch-husch und zum Minimaltarif Gitter montieren, sind in einer Stadt und ihrer Agglomeration, wo mehrere Klubs zu Hause sind, nicht so schnell zur Hand wie in Gränichen.

Horrorszenario Basel - Zürich

Doch überlagert wird das alles durch die Sicherheitsproblematik. Wenn der FC Zürich bei den Black Stars in Basel spielt, setzt der Verband das Spiel des FC Basel am Genfersee beim FC Pully Football möglichst gleichzeitig an. Dazwischen liegen 140 Kilometer Luftlinie. Wenn der Tross des FC Basel im Zug in die Waadt reist, werden die Anhänger des Servette FC, die nach Echallens unterwegs sind, mit Bussen transportiert. Zu beachten ist nicht nur, wer wo spielt, sondern auch, wer auf welchem Bahnhof auf wen treffen könnte. Nicht überall herrschen Willkommenskultur und fröhliche Reisestimmung. Vor einem Jahr spielte Basel in Echallens. Um den Bahnhof Lausanne zu umgehen, wurden die Fans ab dem Bahnhof Yverdon mit Bussen nach Echallens geleitet. Es liess sich zunächst kein Busunternehmen finden, das den Transport übernahm.

«Die Basel- und die Zürich-Fans bestimmen, was geht», sagt eine Stimme, die mit der Cup-Organisation zu tun hat. Nicht überall helfen Fangruppen beim Grillieren und beim Wurstverkauf aus. Der Cup-Final zwischen Basel und Zürich könnte eine tolle Affiche sein. Auf dem Rasen, aber nicht ausserhalb. Für den SFV ist er das Horrorszenario.

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