Presseschau

St. Galler Tagblatt vom 07.10.2019

Nach dem 0:0 vom FC St.Gallen gegen Leader Basel bleibt das Staunen

Der FC St.Gallen begeistert im Spitzenspiel gegen den FC Basel. Beim 0:0 gegen den Leader der Super League gibt es auf Seite des FC St.Gallens nur den einen Mangel: Dass er sich nicht belohnt.

Christian Brägger

Der «Kessel» voll, die Anhänger enthusiastisch und wie eine Eins bis zum Schlusspfiff hinter der Mannschaft; das Team homogen, fast jünger als erlaubt und mit vollstem Einsatz für «grün-weiss» bis zur Erschöpfung; die Spieler mutig, wie «Bravehearts», mit hellster Freude am Werk und beschwingtem Angriffsfussball, selbst gegen einen Tabellenführer; der FC St.?Gallen Dritter der Liga und damit dort, wo der schönste und sonnigste Platz ist hinter den beiden Grossclubs der Schweiz.

So hat sich Matthias Hüppi das vorgestellt, als er vor mehr als 20 Monaten Präsident des FC St.Gallens wurde. So war es gestern vor 17?000 Zuschauern im fast ausverkauften Kybunpark beim Spitzenkampf gegen den FC Basel, der für die Gäste doch eher glücklich 0:0 endete. Hüppi war heiser und aufgewühlt nach dem Spiel, er hatte in den 93 Minuten davor mitgelitten mit jeder Faser seines Körpers, «ja, das ist die grün-weisse Welle auf und neben dem Rasen, wie sie mir vorschwebte», sagte er. «Das war eindrücklich, top.»

Und doch hätte sich St.?Gallen beinahe wieder – wie gegen die Young Boys beim 2:3 – um die Ernte seines Auftritts gebracht: Kurz vor Abpfiff tauchte der eingewechselte Kemal Ademi nach einem Basler Konter alleine vor Dejan Stojanovic auf – und verzog; es war die wohl beste Möglichkeit des Spiels. St.?Gallens Trainer Peter Zeidler, der sich im Frühjahr um Ademi bemüht und den Ostschweizer zum Kaffeetrinken getroffen hatte, sagte schmunzelnd: «Zum Glück hat sich Kemal bei dieser Chance daran erinnert, dass er aus Herisau kommt.»

Das nüchterne Eine, das St.?Gallen den dritten Platz festigen und Basel weiterhin Spitzenreiter bleiben lässt, war die Torlosigkeit der Partie. Das staunende Andere die Art und Weise, wie sie gegen diesen wieder gross wirkenden FC Basel zustande kam. Und wenn im Nachgang der Partie St.?Gallens kritischer Trainer zufrieden von einer «guten Leistung gegen die beste Mannschaft der Schweiz» sprach, dann mussten seine Spieler vieles gut und richtig gemacht haben. Was sie tatsächlich auch von Anfang an getan hatten.

Basel wirkte müde von den Europacupwochen

Basel konnte sich selten lösen aus der Umklammerung, und wenn es einen Mangel gab am guten St.?Galler Spiel, dann jener, dass Boris Babic und Jordi Quintillà zu Beginn die Führung verpassten oder später die letzte Konsequenz im Abschluss fehlte. Basel seinerseits, müde von den Europacupwochen und der jüngsten Reise in die Türkei, wartete meist ab, behalf sich oft mit einer etwas härteren Gangart und liess die selbstbewussten Ostschweizer anrennen.

Nach 15 Minuten war ein erster Anfangsschwung zwar vorbei, aber das Gefühl liess einen nicht los, dass da eine gute St.?Galler Mannschaft am Werk war. Eine, die eingespielt wirkt, solidarisch kämpft und mit ihrem 4-4-2 in der Raute auch Gegner solchen Kalibers vor Probleme stellt. Und sie strahlte wie zuletzt defensiv Sicherheit aus, in der ersten Halbzeit sorgte einzig Noah Okafor für Gefahr, aber ansonsten war da wenig. Vielmehr prüfte der aufgerückte Silvan Hefti kurz vor der Pause ein weiteres Mal Goalie Jonas Omlin; später musste der St.?Galler Verteidiger mit einer Knieverletzung ausgewechselt werden, die Diagnose steht noch aus.

Die St.?Galler fanden auch in der zweiten Halbzeit dank ihrer Raute über Victor Ruiz, Lukas Görtler («wir waren gefühlt 20-mal im Sechzehner von Basel») und Jérémy Guillemenot oft ein Übergewicht und Anspielstationen, in der 52.Minute verpasste Ermedin Demirovic eine Hereingabe. Nur: Allenfalls hätte die Gangart der Gäste bei einem anderen Schiedsrichter als Stephan Klossner dazu geführt, dass Taulant Xhaka spätestens nach seinem fünften Foul früh mit der gelb-roten Karte den Platz hätte verlassen müssen.

Der FC St.?Gallen suchte bis zuletzt den Siegtreffer und stand diesem auch näher, Ruiz vergab freistehend die beste Chance der Ostschweizer mit seinem Abschluss aus 13 Metern über das Gehäuse. Weshalb schliesslich Basel-Trainer Marcel Koller sagte: «Das war ein starkes St.?Gallen heute, es ist kompakter geworden, spielt aggressiv, ist laufstark, hat ein gutes Pressing. Bei einem Gegentor wäre es wohl schwierig geworden.»

Und so blieb nach diesem unterhaltsamen, spannenden 0:0 das Gefühl, dass da etwas am Entstehen ist im FC St.?Gallen. Dass das ziemlich gut kommen könnte in dieser Saison. Dass er aber lernen muss, sich selbst zu belohnen, wobei bei einem fünften Meisterschaftssieg in Folge schon fast das Prädikat «unheimlich» verwendet hätte werden können. Im positiven Sinn, versteht sich.

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