Presseschau

Basler Zeitung vom 11.02.2020

Das brasilianische Elementarteilchen

Arthur Cabral hat gezeigt, wie wichtig er ist. Doch nach dieser Saison kann man nicht mehr auf ihn bauen.

Oliver Gut

Arthur Mendonça Cabral misst 186 Zentimeter. Er kommt ziemlich bullig daher. Und er ist damit weit davon entfernt, als «klein» bezeichnet zu werden. Trotzdem ist der 21-jährige Mittelstürmer für den FC Basel im Moment so etwas wie ein Elementarteilchen. Ein kleiner Baustein mit elementarer Wirkung. Jedenfalls dann, wenn Trainer Marcel Koller auf diesen Baustein zurückgreifen kann.

Am Samstag gegen den FC Zürich konnte er - und wurde das Basler Offensivspiel quasi über Nacht zwei Klassen besser. Das lag auch an Valentin Stocker, einem anderen Rückkehrer. Und es lag gewiss an der Tagesform des dreifachen Torschützen Fabian Frei - und an jener der gegnerischen Mannschaft. Vor allem aber lag es an diesem Brasilianer ganz vorne, der die Physiognomie des rotblauen Angriffsspiels mit seiner Präsenz und der Fähigkeit, den Ball zu halten, zum Guten veränderte. Cabral zeigte all das, was ein Stossstürmer auf diesem Niveau zeigen muss, garniert mit zwei Beteiligungen an vier Treffern. Und er zeigte damit genau das, was zuvor vermisst worden war, als ein formschwacher Kemal Ademi gegen die Young Boys und St. Gallen nie die Bindung zum Spiel fand.

Ganz wenig Vorbereitung

Dass Cabral mehr beiträgt als Ademi, ist per se keine Überraschung. Im Spätherbst zeichnete sich ab, dass der Brasilianer sich zu Kollers bevorzugtem Mittelstürmer gemausert hat. Dass dies jedoch bereits beim ersten Cabral-Einsatz im neuen Kalenderjahr derart klar zum Ausdruck kommt, das hatte nicht erwartet werden können: Anfang Januar erlitt der Angreifer eine Kreuzbandzerrung. Keine schlimme Verletzung zwar, aber auch nichts, das man als harmlos bezeichnen könnte: Geduld war gefragt, um ja nicht den Fehler zu begehen, das Knie zu früh zu belasten. Was nichts anderes bedeutete, als dass Cabral die ganze Vorbereitung verpasste. Wirklich Vollgas kann er erst seit eineinhalb Wochen geben.

Gegen Zürich wirkte es so, als sei Cabral nie weg gewesen. Erst seit Ende August überhaupt da, totalisiert er inzwischen acht Tore und fünf Assists in 19 Einsätzen. Er ist damit klar besser als Ademi (elf Skorerpunkte in 24 Spielen). Und er ist einer jener Spieler, die beim FCB einsatzbereit sein müssen, will der Club eine Titelchance haben.

Mit 21 ist er zudem ein Spieler für die Zukunft. Und zwar nicht nur auf dem Feld, sondern auch irgendwann in der Buchhaltung, auf der Habenseite. Jedenfalls wäre er das, wenn der FC Basel seine Transferrechte erworben hätte. Hier jedoch findet sich der Haken der schönen Geschichte. Cabral ist wie sein 19-jähriger brasilianischer Kollege Ramires nur ausgeliehen.

Ganz viel Geld

Dies zu Konditionen, die eine definitive Übernahme von Palmeiras São Paulo zum Problem machen: Rund 10,5 Millionen Franken Ablöse soll den FCB diese Option kosten - und gemäss der brasilianischen Zeitung «O Povo» ist der FCB gar zum Kauf verpflichtet, sollte Cabral während seiner Leihe gewisse Leistungsparameter erfüllen.

So wie bei Ramires, wo ein Dokument des abgebenden Clubs Bahia existiert, das vom Präsidenten unterschrieben wurde und besagt, dass der 19-jährige Mittelfeldspieler definitiv vom FCB übernommen werden muss, wenn er 23 Wettbewerbsspiele absolviert hat - für 30 Millionen Real, aktuell rund 6,8 Millionen Schweizer Franken. Ramires wird diese Marke nicht einmal erreichen, wenn der FCB den Europa-League-Final bestreitet. Der 19-Jährige hat noch keine Partie absolviert und stand im neuen Jahr noch nie im Kader, obwohl er im Gegensatz zur Hinrunde einsatzbereit wäre.

Wie die vordefinierte Marke von Cabral aussieht, ist nicht bekannt. Allerdings dürfte der FCB ein gewisses wirtschaftliches Interesse daran haben, dass er sie nicht erreicht. Denn 10,5 Millionen Schweizer Franken Ablöse kann man sich in Zeiten des Sparkurses nicht leisten - oder nur, wenn man bereits einen Weiterverkauf in Aussicht hat.

Unter dem Strich bedeutet dies, dass der FC Basel sich auf die Suche nach einem neuen Mittelstürmer machen sollte. Nach einem, der rasch zum Elementarteilchen wird und das Basler Angriffsspiel mittragen kann. Denn derjenige, der das momentan tut, dürfte im Sommer finanziell nicht mehr tragbar sein.

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