Presseschau

Basler Zeitung vom 12.05.2021

Degens erste Schritte sind viel besser als erwartet

Kommentar zum FCB-Umbruch: Mit seinem Verwaltungsrat überrascht der neue FCB-Besitzer ebenso positiv wie mit der angestrebten Aktienverteilung. Die Richtung stimmt - nun muss der Kurs gehalten werden.

Es wird immer Menschen geben, die mit David Degen nichts anfangen können. Denn vielen ist nicht nur das Naturell des neuen FCB-Besitzers wahlweise zu forsch, zu unstet oder zu wenig durchschaubar, sondern ist auch dessen Vita als Spieler, Agent und Geschäftsmann zu befleckt.

Auch aus neutraler Sicht ist festzuhalten: Es gibt mehr als nur die im Zuge des Duells mit Bernhard Burgener ausgegrabenen Geschichten (GC, eSquad), die Zweifel daran nähren, dass Degen der richtige Mann ist, um Rotblau in eine positive Zukunft zu führen.

In der Gegenwart kommt man allerdings nicht umhin, zu bemerken, dass David Degen mit der Übernahme des Clubs ein Husarenstück gelungen ist, das ihm kaum einer zugetraut hätte. Dass er ein Team um sich schart, das Bernhard Burgener zur Aufgabe bewegt, schien ein Ding der Unmöglichkeit. Zu sehr klammerte sich dieser an seine Pläne mit dem FCB und Centricus, zu klar hatte er seinen Willen zum Verbleib und auch seine Abneigung gegen Degen demonstriert.

Dass es trotzdem gelang, ist gewiss nicht allein David Degen zuzuschreiben. Der Druck der breiten Basler Öffentlichkeit und der Sponsoren dürfte - im Gegensatz zu den gespaltenen Medien - ebenso einen Einfluss gehabt haben wie die Haltung von Centricus in den vergangenen Wochen.

Aber klar ist: Ohne Degens Mut, sich als einzige Alternative zu exponieren, seine finanziellen Mittel in die Waagschale zu werfen, sein durch Burgener eingeräumtes Vorkaufsrecht über 16,4 Millionen Franken auszuüben und die öffentlich begleitete Konfrontation zu wagen, wäre es nicht zum Machtwechsel gekommen. Genauso wenig, wie ohne seine Berater und ohne superprovisorische Massnahme.

Ohne Degen würde der FC Basel nun von einer Briefkastenfirma und damit bis auf weiteres von Burgener kontrolliert - mit einem ausländischen Geldgeber im Boot, von dem man sich nicht vorstellen kann, dass er sich ernsthaft für den FC Basel interessiert. All jene, die darin ein Schreckensszenarion sahen, sollten Degen nun dankbar sein und ihm Kredit geben.

Hinzu kommt, dass die ersten Schritte des neuen Eigentümers viel besser sind, als allgemein erwartet wurde. So hat Degen bereits kommuniziert, dass er mit Patrick Rahmen als Cheftrainer in die neue Saison geht. Diese rasche Klarheit auf einer Schlüsselposition ist ebenso begrüssenswert wie die bereits verkündete Zusammensetzung des Holding-Verwaltungsrats.

Die sechs Mitstreiter (Baumgartner, Barth, Gadola, Gross, Herzog, Rey) , die mit Degen das wichtigste Gremium bilden, vereinen viel von dem, was man unter Burgener vermisst hat: Fach- und Führungskompetenz in unterschiedlichen Bereichen, kombiniert mit Unabhängigkeit und einem Gespür für die rotblaue Befindlichkeit. Dass Degen noch dazu Besitzverhältnisse ohne Mehrheitsaktionär anstrebt und noch immer die Idee verfolgt, auch die Anhängerschaft zu beteiligen, ist ein zusätzliches Plus: Der Club kommt weg von einer Alleinherrschaft à la Burgener und bewegt sich in Richtung Demokratie.

Dass dies auch Gefahren birgt, versteht sich: Entscheidungsprozesse werden eher gehemmt denn beschleunigt, vor Macht- und Kompetenzgerangel ist so ein Verwaltungsrat ebenfalls nicht gefeit. Erst recht nicht, wenn sich die Mitglieder zuvor eher lose gekannt haben. Hier wird wichtig sein, dass das Wohl des Clubs stets über den Interessen Einzelner steht und die Verwaltungsräte zu einer Einheit werden, anstatt ihre Egos zu bedienen und Profilneurosen zu bilden. Gerade zu Letzterem verführt die schillernde Fussballbühne viel eher als ein normales Unternehmen in der Privatwirtschaft.

Darüber hinaus tun allen voran Degen und Gross gut daran, ihre Kompetenzen in Bezug auf die FC Basel 1893 AG und damit die Profifussball-Abteilung klar einzugrenzen: Diese braucht starke, leitende Angestellte, die ihre Ideen umsetzen und von den Holding-Verwaltungsräten Bandbreiten, Vorgaben und Unterstützung erhalten. Es darf nicht mehr sein, dass es ist wie zuletzt: Jeder beansprucht für sich, irgendwie wichtig zu sein - aber wenn es nicht läuft, ist keiner verantwortlich.

Klar ist diesbezüglich, dass Roland Heris Zeit beim FC Basel endet. Ein Neubeginn kann nach all der Abneigung und Kritik, die er als CEO erfahren hat, nur mit einem neuen Chef im operativen Alltag erfolgen. Korrigiert wird ausserdem die Struktur im sportlichen Bereich: Bereits an Ostern hatte David Degen im Interview davon gesprochen, dass er sich einen starken Sportchef wünsche. Also eine Persönlichkeit in jener Funktion, die es seit dem Rücktritt Ruedi Zbindens gar nicht mehr gab.

Was darüber hinaus alles verändert wird - Profikader, Nachwuchs, Geschäftsstelle - ist wohl noch nicht einmal für Degen abschätzbar. Er ist gut beraten, wenn er sich zunächst ein umfassendes Bild macht, bevor er weitere Einschnitte beschliesst. Denn auch nach vier Jahren Burgener findet sich in diesem Club noch immer vielerorts grosse Qualität, wenn Strukturen und Umstände passen.

Für diese zu sorgen wird eine der vordringlichsten Aufgaben der neuen Clubführung sein. Aber es geht nach der Ära Burgener um mehr - und wenn man Degens Worten glaubt, dann scheint er dies begriffen zu haben: Er will einen statt spalten, will transparent und demütig sein. Also all das, woran es zuvor mangelte.

Degen formuliert damit hohe und hehre Ansprüche. Es sind Vorsätze, denen die Protagonisten gerade im professionellen Fussball-Geschäft selten gerecht werden.

Der erste Eindruck von David Degen stimmt. Der anvisierte Kurs ist der richtige. Entscheidend wird aber sein, dass die neue Clubführung diesen Kurs hält. Im Sturm - aber auch bei Sonnenschein.

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