Presseschau

NZZ vom 12.05.2021

Das ist in den vier Jahren unter Burgener im FCB passiert

Investitionen in einen indischen Klub und E-Sports, Trainerwechsel, Rücktritte und ein Übernahmestreit – die Chronologie der Ära Bernhard Burgener

April 2017: Die Übernahme. Der FCB-Präsident Bernhard Heusler gibt bekannt, dass er die Führung des Klubs abgeben wird. Neuer starker Mann im FC Basel soll Bernhard Burgener werden, er wird auch Mehrheitsaktionär. Die Klubmitglieder stehen dem Vorhaben wohlwollend gegenüber; 83 Prozent stimmen dem Wechsel zu. Im gleichen Frühling wird der FC Basel Schweizer Meister, zum achten Mal in Folge. Der Trainer heisst Urs Fischer, trotz Meistertitel und Cup-Sieg bekommt er keinen neuen Vertrag. Der FCB befördert den U-21-Trainer Raphael Wicky zum Chefcoach. In der sportlichen Leitung sitzen mit Alex Frei und Massimo Ceccaroni zwei FCB-Legenden.

Juli 2018: Die Entlassung des Trainers Wicky. Nach dem Erreichen der Achtelfinals in der Champions League im Februar 2018 verpasst der FCB den Meistertitel. In der Saison 2018/19 muss Wicky schon nach einem Meisterschaftsspiel gehen, interimistisch übernimmt Alex Frei. Auf ihn folgt Marcel Koller. Der FC Basel verpasst unter Koller erstmals seit 14 Jahren die Gruppenphase der Champions oder der Europa League.

2018/19: Das indische Missverständnis. Burgener und die Klubführung bauen im FC Basel eine E-Sports-Abteilung auf. Den Fans passt dieses Vorgehen nicht, sie möchten, dass das Geld in die Mannschaft investiert wird. Noch stärker in die Kritik gerät Burgener, als der FC Basel im Februar 2019 bekanntgibt, eine Minderheitsbeteiligung am «indischen Traditionsklub» Chennai City FC erworben zu haben. Das Ziel dieser «strategischen Partnerschaft» sei die gemeinsame Ausbildung von Talenten. Bis heute ist unklar, was die Partnerschaft bringt.

Sommer 2019: Diskussionen um den Trainer Koller. Das Chaos im FC Basel ist perfekt. Zunächst gibt es einen Lichtblick, dank einem 3:1 gegen Thun gewinnt der FCB den Cup – es ist der erste Titel in der Ära Burgener. Trotzdem will man Koller loswerden, Spieler sollen sich schon ein halbes Jahr zuvor beim Präsidenten über die distanzierte Art des Trainers beklagt haben. Auch der Sportchef Marco Streller will nicht mit Koller weitermachen, es sickert durch, dass sich der FCB und der damalige Aarau-Trainer Patrick Rahmen bereits einig seien. Der Klub kündigt eine Medienkonferenz an, doch davor gibt Burgener im «Sonntags-Blick» bekannt, man halte an Koller fest. Streller fühlt sich durch den Entscheid des Präsidenten desavouiert. Er tritt als Sportchef zurück. Sauber kommuniziert wird auch dieser Abgang nicht: Bevor der Entscheid offiziell bekanntgegeben wird, sickert eine SMS-Nachricht von Streller an die Mannschaft durch.

September 2019: David Degen kauft sich in den FCB ein. Der frühere FCB-Profi und Spielerberater Degen erwirbt für zwei Millionen Franken 10 Prozent der Aktien des Klubs und nimmt Einsitz im Verwaltungsrat. Er spricht von einer «Herzensentscheidung». Kritische Stimmen monieren die Tätigkeit von Degen als Spielerberater, diesen Job gibt er allerdings auf. Degen sagt: «Ich habe keine Eigeninteressen.»

Frühjahr 2020: Der Haussegen zwischen Führung und Team hängt schief. Während der ersten Corona-Welle streiten die erste Mannschaft und die Klubführung über einen Lohnverzicht; auch das unter den Augen der Öffentlichkeit. Der Vorstand wirft dem Team vor, es sei nicht bereit, auf 17,5 Prozent des Salärs zu verzichten. Die Mannschaft wehrt sich, stellvertretend für das Team schreibt Fabian Frei in den sozialen Netzwerken: «Dieser Vorwurf entspricht nicht der Wahrheit!» Die Spieler seien bereit, auf Lohn zu verzichten. «Wir wollen allerdings wissen, wohin das Geld fliesst.» Im Juni 2020 präsentiert der FC Basel einen Jahresabschluss mit 20 Millionen Franken Verlust, und grosse Teile der Reserven, welche die alte Führung Burgener hinterlassen hat, scheinen fast aufgebraucht. Im Sommer gibt es ausserdem Berichte, dass Burgener Anteile des Klubs an eine britische Investoren-Gesellschaft veräussern will.

August 2020: Ciriaco Sforza wird FCB-Trainer. Der Vertrag mit dem Trainer Koller wird nicht verlängert, als Nachfolger soll Alex Frei eingesetzt werden – doch Burgener legt sein Veto ein. Der Sportchef Ruedi Zbinden hat Frei bereits einen Vertrag vorgelegt, Frei verlässt den Klub nach Burgeners Entscheid. Stattdessen verpflichtet der FC Basel Ciriaco Sforza als Trainer, der frühere Nationalspieler wechselt vom Challenge-League-Klub Wil nach Basel.
November 2020: Burgener tritt als Präsident zurück. An der Generalversammlung gibt Burgener bekannt, er werde als Klubpräsident zurücktreten. Als Nachfolger wird der ehemalige Spieler Reto Baumgartner gewählt. Die Mitglieder entziehen Burgener mit einer Zustimmung von nur 36 Prozent das Vertrauen, er bleibt aber Verwaltungsratspräsident der FCB-Holding und damit FCB-Besitzer.

Frühjahr 2021: Ein Debakel, eine Briefkastenfirma und Proteste der Anhänger. Im Februar 2021 ist der FCB sportlich am Tiefpunkt angelangt. Die Mannschaft verliert im Cup gegen den Challenge-League-Vertreter Winterthur 2:6. Die Klubführung spricht dem Trainer Sforza dennoch das Vertrauen aus. In der Folge wird der Captain Valentin Stocker suspendiert, die Gründe bleiben unklar. Später wird die Beurlaubung aufgehoben. Weiterhin machen Gerüchte über den Verkauf des Klubs an ausländische Investoren die Runde. Burgener will seine Anteile an die «Basel Dream & Vision AG» verkaufen, ein englischer Investor soll bis zu 200 Millionen Franken in diese Briefkastenfirma investieren. Es stellt sich heraus, dass Burgener bei «Dream & Vision» Verwaltungsratspräsident ist. Das Konstrukt dient dazu, dringend benötigtes Kapital zu generieren. Der Anhang reagiert erbost auf Burgeners Pläne, während des Heimspiels gegen Luzern am 13. März versammeln sich 5000 bis 7000 Fans vor dem St.-Jakob-Park.

29. März 2021: Juristisches Geplänkel. An diesem Tag soll sich entscheiden, wem der FCB in Zukunft gehört: Burgeners «Basel Dream & Vision AG» oder Degen. Degen besitzt ein Vorkaufsrecht und will davon Gebrauch machen. Burgener lehnt ab. Zu einer Einigung kommt es nicht. Der Verein schreibt, es könne keine Entscheidung fallen, Degen habe dies mit einer superprovisorischen Verfügung unterbunden. Ein Gericht soll entscheiden, wie es mit dem FCB weitergeht.

6. April: Sforza wird entlassen. Nach zehn Pflichtspielen mit nur einem Sieg hat der FC Basel genug und entlässt den Trainer Sforza. Bis zum Saisonende übernimmt der bisherige Assistenztrainer Patrick Rahmen das Team.

11. Mai 2021: David Degen wird Mehrheitsaktionär. Degen übernimmt die Aktien von Bernhard Burgener, er wird einen Teil davon aber weiterverkaufen. Damit haben sich die Parteien in letzter Minute geeinigt. Für den gleichen Tag wäre eine Verhandlung vor dem Zivilgericht Basel-Stadt anberaumt gewesen. krp.

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