Presseschau

NZZ vom 12.05.2021

«Ein neues Leben» für David Degen

Der frühere Fussballer übernimmt die Mehrheit im FC Basel und spricht von Emotionen, aber auch von Ängsten und hohen Kosten

Peter B. Birrer, Basel

Vor dem St.-Jakob-Park versammelt sich eine Handvoll Supporter des FC Basel. Sie sehen die bezahlte Fussballwelt simpel und singen mehrmals «nie mehr Bernhard B.». Es regnet wie aus Kübeln. Alsbald wird pyrotechnisches Material gezündet, im Innern des Stadions steigt beissender Rauch empor. Stil hat das nicht. Vielleicht sind es die letzten Unmutsbekundungen, die Bernhard Burgener, der Präsident des FC Basel, über sich ergehen lassen muss. Denn schon bald wird Tatsache, was sich tags zuvor angedeutet hat.

Mitte Juni beginnt für den grössten und im Uefa-Ranking nach wie vor am besten klassierten Schweizer Fussballklub eine neue Ära. Der von einigen Fans verhöhnte Burgener gibt die Macht an den früheren Fussballer David Degen ab. Dieser hält neu mehr als 90 Prozent der Aktien der FCB-Holding und sagt an der Medienkonferenz: «Im FC Basel wird es keine Alleinherrschaft mehr geben. Wir werden uns als Team beweisen müssen, wollen liefern und die grossen Emotionen nach Basel zurückholen.» Da spricht Degen pur.

Mit Christian Gross

Wir? Der frühere Spieleragent Degen nennt die Namen des künftigen Verwaltungsrats, aus dem Burgener, Karl Odermatt und Peter von Büren ausscheiden werden. Degen sekundieren der als VR-Präsident vorgesehene Reto Baumgartner (einst FCB-Fussballer, im Moment Präsident des «Vereins FC Basel 1893»), der frühere Klubtrainer Christian Gross, die ehemalige FCB-Spielerin Sophie Herzog sowie drei Personen, die von Degen Aktienanteile zu übernehmen gedenken: Johannes Barth, der Basler FDP-Politiker, Jurist und Partner einer Privatbank; Marco Gadola, der Manager mit Erfahrung in der Medizinaltechnik; Andreas Rey, der über familiäre Bindungen zur Sarasin-Bank verfügt. «Wir werden die Aktien auf mehrere Schultern verteilen, niemand wird die Mehrheit haben», sagt Degen. Was das genau heisst, ist Verhandlungssache.

Die Details sind noch nicht festgelegt, da die zwei Parteien ursprünglich am Dienstag einen Termin vor dem Zivilgericht Basel-Stadt hatten. Doch vom Richter ist nicht mehr die Rede. Die Parteien bemühen sich nach Kräften, die hochgehenden Wogen zu glätten. Selbst Degen sagt, dass in den letzten Wochen «Grenzen überschritten worden» seien. Offensichtlich vermag Burgener dem Gegenwind nicht mehr standzuhalten. Wie er verlauten lässt, liess er sich durch die «Nachhaltigkeit und Transparenz» des Projekts Degen überzeugen. «Wir haben den Frieden gefunden», übertreibt Burgener, der sich mit dem Bild des «rot-blauen Portemonnaies» nie gegen eine Nachfolgelösung gesträubt hat.

Wie die Zusammensetzung des Verwaltungsrats auch immer zu werten ist: Die Lösung ist rot-blau, baslerisch, einheimisch. Wenn die Option mit dem ­britischen Kapitalgeber Centricus «definitiv vom Tisch ist», wie Degen ­betont, heisst das mit anderen Worten, dass frische Mittel künftig anderswo ausgegraben werden müssen. Es ist ­davon auszugehen, dass neben Degen die Herren Barth, Gadola und Rey neben dem anstehenden Aktienkauf für zusätzliche Sicherheiten bürgen. Denn eines ist klar, zumal in Pan­de­miezeiten: Der FC Basel könnte tendenziell wie jeder Super-League-Klub teuer werden, der nicht wie YB an ­substanzielle Europacup-Gelder herankommt.

Basel hat den teuersten Klub

Im Europacup lässt sich mit Ausnahme des Meisters nicht mehr viel verdienen. Selbst Degen, der als Fussballer für Schweizer Verhältnisse zu den Spitzenverdienern gehörte und als Spieleragent seine Klienten «aggressiv» vertreten haben soll, wie es in der Szene weitherum heisst, plädiert plötzlich für «Demut». Die Zeit der hohen Löhne sei in Basel vorbei, erklärt er, «die Kosten müssen weiter sinken».

Nun kann er nicht mehr zusehen, wie andere unpopulär auf die Bremse treten. Nun muss er selbst rechnen, mit Spielern über weniger Salär verhandeln. Für ihn zu hoffen ist, dass er dabei nicht zu oft auf Philipp Degen trifft, auf den Zwillingsbruder, der ziemlich barsch Interessen von Fussballern vertreten soll.

Basel bezahlt die mit Abstand höchsten Fixlöhne der Liga. Der serielle Erfolg zwischen 2010 und 2017 trieb die Kosten in ungeahnte Höhen. Zuweilen setzte der FCB mehr als 100 Millionen Franken im Jahr um. Zuletzt verringerte Burgener die Lohnkosten um 14 auf 34 Millionen. Auch Degen kann rechnen. Er weiss, wie schwierig die Gestaltung der Zukunft wird. «Der Klub ist finanziell abgesichert», ruft ihm Burgener hinterher. Degen versteckt vor den Medien nicht, dass er selbst zuletzt «Hochs und Tiefs» durchgemacht habe.

Das widerlegt den Ruf der Überheblichkeit, der ihm vorauseilt. Er habe sich zu Hause im Bett mehrmals gefragt: «Tue ich das Richtige? Sollte ich nicht lieber den Platz freigeben?» Da drückt die Angst einer noch ziemlich unerfahrenen Person durch, die sich voller Respekt eines ziemlich grossen Fussballklubs bemächtigt. So sagt er über seine Befindlichkeit: «Jetzt beginnt ein neues Leben.»

Auf der Position des Trainers ist kein Wechsel vorgesehen. Patrick Rahmen geniesst das Vertrauen Degens, der nicht den Notausgang zu erwähnen vergisst, wonach «in einer Leistungsgesellschaft alle performen müssen». Da meint er sich und seine neue Crew, aber auch den Trainer. Als Saisonziel verbleibt der 2. Tabellenplatz hinter den im Moment krass entrückten Young Boys. «Stand heute» soll der FC Basel auch wieder einen Sportchef beschäftigen, sagt Degen. Das ist eine in der Branche übliche Personalie. Aber auch sie kostet.

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