Presseschau

bz Basel vom 21.07.2021

Zwei rechte Schuhe, Durchfall in Andorra und nur eine bittere Enttäuschung

Valentin Stocker ist mit 86 Europapokal-Spielen nicht nur FCB-Rekord-Internationaler. Er hat auch 29 Qualifikationsspiele absolviert und dabei die ein oder andere kuriose Geschichte erlebt. Bevor Rotblau am Donnerstag gegen Partizani Tirana erneut eine Europapokal-Saison mit der Qualifikation beginnt, blicken wir mit dem Captain zurück. Jakob Weber

Der Druck ist gross. Der FC Basel weiss zum Saisonstart nicht genau, wo er steht. Doch verlieren ist dennoch verboten. Denn um in die Conference League zu gelangen, muss der FCB drei Qualifikationsrunden überstehen. «Nachdem wir das letztes Jahr verpasst haben, wollen wir in dieser Saison unbedingt wieder da hin», sagt Captain Valentin Stocker. Den Anfang von den hoffentlich sechs Qualifikationsspielen macht am Donnerstag das Heimspiel gegen Partizani Tirana. Stocker hat grosse Lust auf den auf diese Saison hin neu eingeführten drittklassigen Europapokal. «Internationale Spiele sind immer cool. Vielleicht sind die Gegner auf dem Papier nicht so stark und die ein oder andere Reise mühsam. Aber auch dank dem kommst du an Orte, wo du sonst nicht hinkommst», sagt der Rekordspieler, was internationale Auftritte für den FCB angeht.

Das Stocker-Debüt in Schweden

In Göteborg spielt Valentin Stocker als 21-Jähriger zum ersten Mal international für den FCB. In der Saison zuvor sass er im Uefa-Cup bereits auf der Bank. Doch dann wurde er von Christian Gross in der 58. Minute des Hinspiels in Schweden eingewechselt. «Das war die Zeit, als mein Stern ein bisschen aufging. Mit der Finalissima und den ersten Länderspielen etwas später», sagt Stocker rückblickend. «Die Fans auf dem Bild kenne ich nicht persönlich. Aber offensichtlich habe ich ihnen nach meinem Debüt mein Trikot geschenkt», erklärt Stocker und lacht. Der FCB kommt weiter und trifft in der 3. Runde auf Guimarães. Stocker steht zweimal in der Startelf und sorgt im Rückspiel mit Tor und Assist für die Qualifikation für die Champions League. «Ivan Ergic wollte eigentlich schiessen, aber dann wurde ein Pass daraus. Alle dachten, ich stünde im Offside, doch auf der Seite stand noch einer ganz tief», erinnert sich Stocker. Das 2:1 legt er dann in der 54. Minute für Eren Derdiyok auf. Stocker ist erstmals in der Königsklasse.

Champions-League-Qualifikation 2008

2. Runde gegen IFK Göteborg 1:1 (A), 4:2 (H)

3. Runde gegen Vit. Guimarães 0:0 (A), 2:1 (H)


Abschlusstraining mit zwei rechten Schuhen

In Debrecen wird Torschütze Valentin Stocker in der 88. Minute durch Granit Xhaka ersetzt. Und was macht der 17-Jährige in seinem ersten Europapokaleinsatz? Er knallt den Ball aus der Distanz zum 2:0 in die Maschen. «Ausser Granits Weitschuss weiss ich auch noch, dass ganz viele FCB-Fans die Reise nach Ungarn auf sich genommen haben und mit dem Zug angereist sind.» Von den Spielen gegen Tiraspol erinnert sich Stocker noch an eine kuriose Geschichte. «Im Abschlusstraining, zu dem wir anderthalb Stunden fahren mussten, hatte einer unserer Torhüter zwei rechte Schuhe dabei. Er hat sich aber nichts anmerken lassen und trotz Schmerzen das Training mit zwei rechten Schuhen durchgezogen.» Namen will Stocker nicht nennen, doch es dürfte sich dabei um Franco Costanzo gehandelt haben. Der bleibt beim 3:0-Sieg am Tag darauf dann auch wie schon im Hinspiel ohne Gegentor. Anschliessend feierte der FCB mit lauter Musik und Dosenbier den Einzug in die Champions League.

Champions-League-Qualifikation 2010

3. Runde: Debrecen 2:0 (A), 3:1 (H)

Playoffs: Sheriff Tiraspol 1:0 (H), 3:0 (A)


Durchfall auf der Schulwiese

2009 muss sich der FCB unter Thorsten Fink für die Europa League qualifizieren. An Santa Coloma und den Ausflug nach Andorra kann sich Valentin Stocker noch gut erinnern. «Dort hatten wir mehrere kranke Spieler. Einer musste direkt vom Spielfeld auf die Toilette. Und ein anderer Spieler wurde mit dem Taxi zurückgefahren, damit er keinen ansteckt. Gespielt wurde auf einer Schulfeldwiese, eine eindrückliche Reise», sagt Stocker. Anschliessend geht es nach Island. «Da windete es wie verrückt», erinnert sich der Mittelfeldspieler an das 2:2 im Hinspiel. Stocker weiss auch noch, dass die Mannschaft einen Spaziergang zum Hafen gemacht hat. «Leider sind solche Ausflüge nur selten möglich», sagt Stocker. Von den Städten sehen die FCB-Spieler heute nur noch Flughafen, Hotel und Stadion. «Man war zwar da, aber hat nicht viele Erinnerungen», sagt Stocker. Der Grund ist einfach: Am Tag vor dem Spiel ist alles durchgetaktet und am Spieltag selber wollen sich die Spieler nicht in der Stadt blicken lassen, da das sonst im Falle eines Misserfolgs als schlechte Vorbereitung ausgelegt werden könnte.

Europa-League-Qualifikation 2009

2. Runde: FC Santa Coloma 3:0 (H), 4:1 (A)

3. Runde: KR Reykjavik 2:2 (A), 3:1 (H)

4. Runde: FK Baku 3:1 (A), 5:1 (H) 2:1 (H)


Die Erinnerungen verblassen

Vom Jahr 2012 setzen die Erinnerungen von Valentin Stocker etwas aus. An die Reise nach Estland und Gegner Flora Tallinn kann er sich gar nicht erinnern, obwohl es Fotos gibt, die Stocker nach dem Auswärtsspiel vor dem Gästeblock zeigen. Erst als der Name des Gegners der nächsten Runde fällt, klingelt es: «Molde. Das war, als Yann Sommer kurz vor Schluss den Penalty hält», sagt Stocker. Doch dass der heutige FCB-Boss David Degen in diesem Spiel eine Vorarbeit von Stocker verwandelte, weiss dieser nicht mehr. «Das stresst mich. Die Fussballzeit rast so an dir vorbei. Du hast gar keine Zeit, das alles zu reflektieren. Auf den Bildern siehst du, wie gross die Emotionen damals waren. Heute frage ich mich dann, wie es sein kann, dass ich mich nicht mehr an den Moment erinnere», sagt Stocker. Doch vielleicht hat er diese Qualifikationskampagne auch einfach verdrängt, weil sie nicht erfolgreich endete. Gegen den rumänischen Vertreter CFR Cluj scheitert Stocker erstmals in einer Qualifikation. «Cluj war einfach etwas abgeklärter», sagt er. «Das weiss ich noch.»

Champions-League-Qualifikation 2012

2. Runde: FC Flora Tallinn 2:0 (A), 3:0 (H)

3. Runde: Molde FK 1:0 (A), 1:1 (H)

Playoffs: CFR Cluj 1:2 (H), 0:1 (A)


Erstmals mit der Binde am Arm

An das Jahr 2013 erinnert sich Valentin Stocker wieder besser. «Bei Maccabi Tel Aviv war damals Paulo Sousa Trainer, und nach dem 3:3 war unser Präsident Bernhard Heusler ganz ausser Atem, weil er so nervös war. Die Schlussphase stand Heusler ganz aufgeregt hinter Yann Sommers Tor.» Stocker lobt die Stimmung in Israel: «Die Fans waren richtig laut und beide Teams haben in diesem Spiel viele Fehler gemacht.» In den Playoffs trägt Stocker gegen Ludogorets Rasgrad dann in Vertretung des verletzten Marco Streller zum ersten Mal die Captainbinde des FC Basel. Beim Betrachten der Bilder muss er schmunzeln. Damals hätte sich Stocker nicht träumen lassen, dass er auch zehn Jahre später wieder diese Binde trägt. Denn nach der Saison verlässt er den FCB in Richtung Berlin. Mit der Hertha absolviert er gegen Bröndby Kopenhagen ein weiteres Europacup-Quali-Spiel, allerdings ohne Erfolg. Die Einwechslung von Stocker kurz vor Schluss ändert nichts an der 1:3-Niederlage und dem Ausscheiden der Berliner.

Champions-League-Qualifikation 2013

3. Runde: Maccabi Tel Aviv 1:0 (H), 3:3 (A)

Playoffs: Ludogorets Rasgrad 4:2 (A), 2:0 (H)


Vor lauter Nervosität das Haus verlassen

Sechs Monate nach der Rückkehr von Valentin Stocker zum FC Basel spielt er im Sommer 2018 auch wieder international. Doch gegen PAOK scheidet Rotblau aus. «Nach dem Hinspiel und meinem späten Assist auf Albian Ajeti hatten wir noch das Gefühl, dass wir die Partie im Rückspiel drehen. Aber es hat nicht gereicht», sagt Stocker. An die beiden dann folgenden 1:0-Siege gegen Arnheim erinnert er sich gut. «Da hat Ricky seine Landsleute abgeschossen und mein Gegenspieler Roy Beerens war ein alter Freund aus Berlin», sagt Stocker und lacht. Doch was dann gegen Limassol passierte, war auch für den damals verletzten Stocker eine grosse Enttäuschung: «Ich bin sehr nervös, wenn ich nicht spiele. Als ich daheim vor dem Fernseher merkte, dass es nicht gut läuft, ging ich raus. Bei einem Spaziergang habe ich dann am Handy mitverfolgt, dass wir ausgeschieden sind. Hinschauen konnte ich nicht.» Die Auswärtstorregel, wegen der Basel ausschied, wurde auf diese Saison hin abgeschafft.

Champions-League-Qualifikation 2018

2. Runde: PAOK Saloniki 1:2 (A), 0:3 (H)

Europa-League-Qualifikation

3. Runde: Vitesse Arnheim 1:0 (A), 1:0 (H)

Playoffs: Apollon Limassol 3:2 (H), 0:1 (A)


Erst der Exploit, dann die Ernüchterung

«Die Spiele gegen Eindhoven waren grossartig. Schon dort haben wir uns aufgeopfert. Und im Rückspiel haben wir dann vor grossartiger Kulisse das Ding gedreht», erzählt Valentin Stocker mit einem Strahlen im Gesicht. Er gibt zu, dass Eindhoven mit Lozano, Bergwijn und Malen auf dem Papier eigentlich das bessere Team war. «Doch an diesem Tag passte für uns alles zusammen.» Doch trotz des Exploits wird es am Ende nichts mit der Champions League für Stocker und den FC Basel. Gegen den LASK zieht Rotblau zweimal den Kürzeren. Nicht unverdient, wie Stocker findet. Auch wenn er sich heute noch daran erinnert, dass er im Rückspiel beim Stand von 0:1 noch einen Penalty bekommen müsste. Doch den gab es nicht. «Wir waren von der Intensität der Linzer überrascht. Aber man muss ehrlich sagen, dass der LASK – wie auch PAOK 2018 in der Saison, als wir gegen sie verloren – einfach auch gut in Form war. Sie sind dann auch sehr weit gekommen», erinnert sich Stocker. Doch auch er spielt mit dem FCB eine erfolgreiche internationale Saison. In der Europa League führt Marcel Koller Rotblau bis ins Viertelfinale und ans Finalturnier in Deutschland.

Champions-League-Qualifikation 2019

2. Runde: PSV Eindhoven 2:3 (A), 2:1 (H)

3. Runde: LASK 1:2 (H), 1:3 (A)


Die einzige wirklich bittere Pille

Die jüngste Qualifikationskampagne schmerzt Valentin Stocker am meisten: «Bei den anderen Ausscheiden hatte ich das Gefühl, dass es der Gegner irgendwie auch verdient hat. Aber gegen Sofia war es eigentlich nicht möglich, nicht als Sieger vom Platz zu gehen.» Doch genau das trifft ein. «Wir fragen uns noch heute, wie das passieren konnte. Das tut immer noch weh», sagt Stocker. Während Sofia in der Folge in der Europa League in der YB-Gruppe sang- und klanglos ausscheidet, verpasst der FCB die europäische Gruppenphase zum zweiten Mal innert drei Jahren. Die dramatischen Siege in den beiden Runden zuvor – auswärts in Kroatien gegen NK Osijek und zu Hause gegen die Zyprioten von Anorthosis Famagusta – sind plötzlich nichts wert und Trainer Ciriaco Sforza wurde bereits im ersten Monat seiner Amtszeit angezählt. Wegen der Coronapandemie fand die Qualifikation erstmals ohne Rückspiele statt, weshalb der FCB die schlechte zweite Halbzeit gegen Sofia nicht wiedergutmachen kann.

Europa-League-Qualifikation 2020

2. Runde: NK Osijek 2:1 (A)

3. Runde: Anorthosis Famagusta (H) 3:2

Playoffs: CSKA Sofia 1:3 (H)

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