Presseschau

Basler Zeitung vom 24.11.2021

Das Wochenduell: Ist es richtig, dass der FCB in Dubai trainiert?

Die Basler werden ihr Winter-Trainingslager in Dubai absolvieren - trotz prekärer Menschenrechtslage vor Ort. Die Anhänger der Muttenzerkurve übten bereits Kritik.

Ja Der Trip nach Dubai bringt alles mit, was der FC Basel Anfang Januar braucht, um sich optimal auf die Rückrunde vorbereiten zu können: angenehmes Klima, moderne Trainingsinfrastruktur und ein Turnier mit adäquaten Gegnern.

Er spart damit im Vergleich zum zuvor üblichen Trainingslager in Marbella rund 200’000 Franken. Das mag im Verhältnis zu seinem Jahresetat wenig sein. Doch bei einem Club, der damit kämpft, sich selbst tragen zu können, muss der Hebel eben auf allen Ebenen angesetzt werden. Und zwar so, dass sein Kernprodukt seine Attraktivität zumindest halten kann. Nach allem, was man hört, hätte der FCB ohne diese Gelegenheit auf eine Auslandreise verzichtet, sich nur in der Schweiz vorbereitet - womöglich unter meteorologisch schwierigen Bedingungen.

Schwierig sind auch die Bedingungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wenn es um Menschenrechte nach westlichem Verständnis im 21. Jahrhundert geht. Freie Meinungsäusserung und Gleichstellung der Frau sind in diesem Staat genauso sehr ein Fremdwort wie sexuelle Handlungen ausserhalb der heterosexuellen Ehe gesetzlich verboten sind. Es sind dies Umstände, die nicht gutheissen kann, wer unseren Wertekanon verinnerlicht hat.

Doch tut dies der FC Basel, wenn er sein Trainingslager dort abhält und an einem Turnier teilnimmt? Die Antwort lautet: Nein, tut er nicht. So wenig, wie das Ferienreisende tun. Ihm vorzuwerfen, er lasse sich bereits instrumentalisieren, wenn Spieler und Staff in Dubai ihrer Arbeit nachgehen, trainieren und - auf Einladung eines ägyptischen Medienunternehmens notabene - Spiele ohne nennenswerte Strahlkraft bestreiten, ist übertrieben.

Wenn der FCB in seiner Charta von Toleranz und Vielfältigkeit oder gegen die Ausgrenzung von Minderheiten schreibt, dann bezieht sich dies auf den eigenen Verein, den rotblauen Kosmos. Denn genau so hat er in seinen Statuten einen anderen Wert verankert: Der Club ist nicht politisch, sondern neutral. Und es wäre viel eher ein politisches Statement, würde man auf Druck der Anhänger Dubai eine Absage erteilen, anstatt dort Sport zu treiben.

Wer darob trotzdem aufheult, soll sich über folgende Fragen Gedanken machen: Was genau ist erlaubt - und was nicht? Müsste er demzufolge nicht auch Novartis und Adidas als FCB-Sponsoren ablehnen, die weltweit ihre Geschäfte machen? Wäre ein Trainingslager in der Türkei akzeptabel? Vor allem aber: Wie ist einer Kultur zu begegnen, die man nicht versteht und von der man sich wünscht, dass sie sich hin zu mehr Freiheit und Gleichheit bewegt: mit Ablehnung, Boykott und der Haltung, alles besser zu machen - oder mit Diskursbereitschaft und Toleranz?

Oliver Gut

Nein Der FC Basel reist im Januar nach Dubai, und es gibt durchaus einige Gründe, um den Club für diese Entscheidung zu kritisieren. Man kann sich zum Beispiel fragen, wie eine Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate eigentlich mit der Charta des Clubs zu vereinbaren ist? Schliesslich steht dort geschrieben, dass der FC Basel sich für «Toleranz und Vielfältigkeit der Fussballanhängerschaft» einsetzt und gegen die «Ausgrenzung von Minderheiten».

Doch warum reist man dann in eine Region, in der Homosexuelle oder Frauen im täglichen Leben benachteiligt sind? Wo Kritiker festgenommen oder verurteilt werden? Warum widersteht der FC Basel nicht dem Ruf des Geldes und lässt sich stattdessen einspannen für die sportliche Werbeoffensive der Emirate?

Doch darum soll es an dieser Stelle nicht gehen, nein, es geht jetzt um einen anderen Punkt.Der FCB hat in den letzten vier Jahren schmerzhaft erfahren müssen, wie es ist, wenn sich die Fans und ihr Verein voneinander entfernen. Unter der Führung von Bernhard Burgener traf der Club zahlreiche Entscheidungen, bei denen sich die Fans fragen mussten: Ist das wirklich noch mein FC Basel?

eSports, Indien und als Höhepunkt der geplante Centricus-Einstieg. Schritt für Schritt wurde die Distanz grösser. Bis sich irgendwann Tausende vor dem Stadion versammelten, die Fassade der Geschäftsstelle beschmiert wurde oder ein abgetrennter Schweinekopf vor der Tür lag.

Die neue Führung des Clubs rund um David Degen und Dani Büchi hat gesehen, wie weit es gegangen ist. Und sie hat einen grossen Anteil daran, dass der FC Basel als Ganzes wieder zu sich gefunden hat. Umso unverständlicher ist darum die Entscheidung, nach Dubai zu reisen.

Beim Spiel gegen St. Gallen hat die Muttenzerkurve ihre Meinung formuliert: «Üebig abbräche!» Natürlich darf man nicht den Fehler machen und glauben, dass hinter einem Transparent alle Anhänger stehen. Den meisten ist es vermutlich egal, wo die Basler trainieren. So wie ihnen das Thema eSports egal war. Und trotzdem darf man diese Haltung nicht ignorieren.

Die frisch verheilte Wunde in der Beziehung zwischen dem Club und seinen Fans wird gerade wieder einem Druck ausgesetzt. Dort, wo in den ersten Monaten Goodwill und Unterstützung herrschte, baut sich eine leichte Spannung auf. Es entsteht ein Reibungspunkt, den der FCB leicht hätte umgehen können.

Wofür das alles? Für eine vergleichbar kleine Summe von 200’000 Franken? Denn eine gute Infrastruktur und internationale Gegner hätten die Basler auch in Marbella gehabt.

Tilman Pauls

Das Wochenduell: Die BaZ stellt sich in regelmässigem Abstand Themen, die die Sportwelt bewegen - und beleuchtet dabei in einem Pro und Kontra beide Seiten. Zuletzt erschienen: «Kann diese Mannschaft den Weltmeistertitel holen?» (18.11.)

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