Presseschau

Basler Zeitung vom 16.05.2022

Ein Abgang in Dortmund sorgt für Unruhe in Basel

Der FC Basel steht offenbar kurz vor der Verpflichtung von Torhüter Marwin Hitz. Es ist auch ein Zeichen, dass der konsequente Umbau des Teams im Sommer weitergeht.

Tilman Pauls

Am Samstag ist Marwin Hitz bei Borussia Dortmund verabschiedet worden. Ein paar Stunden vor dem letzten Spieltag der Bundesliga hatte der 34-Jährige die Sache selbst in die Hand genommen und seinen Abschied via Instagram verkündet. So macht man das ja heutzutage. Ein paar Stunden später drehte Hitz im Stadion der Borussia dann ein paar Erinnerungsvideos für das Familienalbum.

Nach vier Jahren verlässt Hitz den BVB und nimmt eine «neue Herausforderung» an, wie er selbst schreibt. Und die soll laut einem Bericht der «BZ Basel» beim FC Basel liegen, wo der Name des Schweizers schon vor mehreren Tagen genannt wurde, als es um einen neuen Torhüter ging. Der Transfer in die Schweiz soll bereits in trockenen Tüchern sein. Beim FCB äussert man sich nicht zu den Gerüchten.

In Dortmund wurde die Kunde über den Abgang von Hitz vergleichsweise gelassen zur Kenntnis genommen. Hitz hatte seinen Abgang vor einigen Wochen angekündigt, und immerhin ist es «nur» die Nummer 2, die den Verein verlässt - auch wenn Hitz zwischenzeitlich zum Stammtorhüter aufgestiegen war. Für den BVB ist es ein Abgang ohne Nebengeräusche. Was man vom FC Basel nicht unbedingt behaupten kann.

Das Torhüter-Thema
Beim FCB hat das Torhüter-Thema im letzten Sommer schon kurz eine gewisse Dynamik angenommen, weil das Interesse an Loris Karius und Roman Bürki öffentlich geworden war. Schon da konnte man sich fragen: Wieso suchen die Basler einen Ersatz, wenn man einen wie Lindner auf der Linie stehen hat? Ist es wirklich nötig, in all den grösseren und kleineren Umbrüchen des Clubs auch dort noch etwas zu ändern?

Und nach einer weiteren überzeugenden Saison des Österreichers befeuerte David Degen das Thema erneut, als er Lindner bei einem Mitgliederanlass kürzlich alles andere als den Rücken stärkte: Bei einer Frage über den Torhüter verwies Degen vielsagend auf dessen Fehler im Spiel gegen den FC Zürich und brachte damit erneut seine Meinung über Lindner zum Ausdruck.

Letzte Woche äusserte sich Lindner im Interview mit der BaZ erstmals öffentlich. «Jemand, der sich mit Fussball beschäftigt, der sieht, dass ich eine sehr gute Saison spiele», sagte er und gab zu, dass die Situation nicht gerade angenehm sei. Wer den Torhüter kennt, der weiss, dass es für Lindners Verhältnisse ungekannt klare Aussagen sind. Und seine Verärgerung über die öffentliche Debatte ist durchaus nachvollziehbar.

Lindners Statistiken
Immerhin ist der Österreicher statistisch einer der besten Goalies der Liga - und einer der konstantesten Basler Leistungsträger in den letzten zwei Saisons. Wenn Degen am im letzten Sommer schon einen Torhüter suchte und nun Hitz verpflichtet haben soll, dann wird der Schweizer in den Planungen des FCB kaum als Nummer 2 vorkommen. Sondern als Nummer 1.

Allerdings darf man auch nicht vergessen, dass es gute Gründe gibt, die für Hitz sprechen: Die Basler brauchen einen Torhüter, der die Position von Djordje Nikolic besetzt, der den Club verlässt. Hitz ist Nationaltorhüter. Er dürfte den FCB keine hohe Ablösesumme kosten, vielleicht gar keine. Er wird sich in die neue Lohn-Realität eingliedern und weniger verdienen als Nikolic. Und, nicht zu unterschätzen: Hitz besitzt einen Schweizer Pass.

Dies ist ein Faktor, den die Kaderplaner durchaus im Auge behalten müssen. Immerhin verlassen den Club im Sommer mit Pajtim Kasami und Raoul Petretta zwei Spieler, die entweder den Schweizer Pass besitzen (Kasami) oder in Basel ausgebildet wurden (Petretta). Da ist es aus planerischer Sicht nicht gerade geschickt, weiter zwei ausländische Spieler auf der Torhüter-Position zu wissen.

Allerdings hätte die Verpflichtung von Marwin Hitz noch eine andere, eine durchaus emotionale Ebene. Denn mit der öffentlich geäusserten Kritik hat der Club nicht nur Goali Heinz Lindner verärgert und getroffen, sondern auch erneut ein Zeichen an alle anderen Spieler gesetzt, die schon vor dem Besitzerwechsel vor einem Jahr im Kader gestanden haben: Der Umbau beim FC Basel geht konsequent weiter.

Vor Lindner haben sich in den letzten Wochen und Monaten ja auch Raoul Petretta und Eray Cömert kritisch über den - ihrer Meinung nach - respektlosen Umgang des Clubs geäussert. Im Fall von Pajtim Kasami dürfte es nicht grundlegend anders sein. Und bei einer Verpflichtung von Hitz stünde zumindest die Frage im Raum, ob Lindner sich bei dieser Situation überhaupt noch weiter im Tor des FCB sieht oder den Club verlässt.

So läutet der Club zwei Spiele vor dem Saisonende einen Sommer ein, der erneut im Zeichen eines massiven Umbruchs steht. Und das ausgerechnet auf der Torhüter-Position, einer der wenigen Positionen, wo man in den vergangenen beiden Jahren die grösste Ruhe und Konstanz hatte.

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