Presseschau

Basler Zeitung vom 01.07.2022

Martin Andermatt, der Menschenfreund

Das ist der neue FCB-Assistent Der 60-Jährige ergänzt das Trainerteam des FC Basel. Dabei kann er voll und ganz auf seine Erfahrung zählen - auch aus seinem erlernten Beruf.

Dominic Willimann

Martin Andermatt hat schon manches in seiner Trainerkarriere erlebt. Am liebsten erinnert er sich aber an die Zeit beim SSV Ulm, mit dem er 1999/2000 in die 1. Bundesliga aufgestiegen ist. Und vor allem erinnert er sich an die ersten drei Fragen seiner ersten Pressekonferenz in Deutschland.

Erstens: «Herr Andermatt, Sie sprechen so langsam.» - Andermatts Antwort: «Das stimmt, dafür habe ich mehr Zeit zum Denken.»

Zweitens: «Die Schweiz hat Schokolade und Käse. Jetzt kommen Sie, was können Sie uns bieten?» - Andermatts Antwort: «Ja, die Schweizer sind unglaublich stolz auf Schokolade und Käse. Das ist Qualität.»

Drittens: Bevor ein Journalist die nächste Frage stellen kann, dreht Andermatt den Spiess um und fragt: «Was sagt Ihnen die Zahl 768?» Grosses Schweigen im Raum. Dann sagt Andermatt: «Das ist die Anzahl Treppenstufen auf das höchste Münster der Welt, die ich gestern abgelaufen bin.»

Mit diesem Dialog hat sich Andermatt in Ulm vorgestellt - und sich den notwendigen Respekt verschafft. In Basel, bei seinem jüngsten Arbeitgeber, ist das nicht mehr nötig. Andermatt ist in der Schweiz kein Unbekannter, mit seinem Wirken bei vielen Clubs sowie als Aufsichtsrat und Berater von Hannover 96 hat er sich längst einen Namen gemacht.

Dass er nun beim FCB arbeitet, kommt dennoch überraschend. Zumal es der erste Co-Trainer-Job überhaupt des Aargauers ist. Zumindest offiziell, da er zuletzt in Schaffhausen Hakan Yakin bereits beim Coachen den Vortritt gelassen hat. Obwohl diese Position ein Novum ist, braucht er nicht lange, um Alex Frei die Zusage zu erteilen. Frei und Andermatt, sie kennen sich lange, ihre Wege haben sich vor allem in den letzten Monaten in der Challenge League gekreuzt.

Die Sache mit der Kabine
Frei als Trainer von Winterthur, Andermatt eben als Trainer in Schaffhausen. Bei diesen Begegnungen sind Andermatt Kleinigkeiten aufgefallen. Zum Beispiel, dass der FC Winterthur die Garderobe so verlassen hat, wie er sie antraf. Andermatt erzählt: «Das sagt vieles über Spieler und Trainer aus.»

Wenn Andermatt über seinen Arbeitsalltag spricht, dann erzählt er immer von «Menschen». Wie er sie weiterentwickeln, besser machen möchte. Sich selbst und sein Trainerteam. Aber auch die Spieler. Und nicht zuletzt natürlich den Verein. Jenen Club, für den er in den 80ern unter Ernst-August Künnecke als Verteidiger aufgelaufen ist. Andermatt sagt: «Es geht hier nicht um mich, sondern um uns. Es geht darum, dem FCB zu helfen.»

Diese Souveränität, diese Ruhe ist bei Andermatt auch auf dem Trainingsplatz auszumachen. Er sagt: «Wer laut ist, hat nicht immer recht.» Der Inhaber der Uefa-Pro-Lizenz versucht, mit seiner Erfahrung das Trainerteam zu ergänzen. «Wer sich Zeit für die Menschen nimmt, wird belohnt», ist Andermatt überzeugt.

Die Kommunikation sei für ihn zentral. Dass er darin eine seiner Stärken sieht, hat mit seiner Vergangenheit zu tun. Andermatt ist ausgebildeter Primarlehrer und hat am Anfang seiner Trainerkarriere kurz auf dem Beruf gearbeitet. Aber etwas anderes möchte er auch betonen, wenn es um sein Wirken auf dem Fussballplatz geht. «Ich bin in einer intakten Familie aufgewachsen und habe Werte vermittelt bekommen, die ich auch mit meiner Familie lebe.»

Seine zweite Familie nebst seiner Frau, den Kindern und Enkeln, erzählt Andermatt, sei jeweils sein Arbeitgeber. Seine Leidenschaft auf dem Rasen teilt er aktuell im Team mit Frei, Davide Callà (der einst in Wil unter Andermatt spielte), Gabriel Wüthrich und Bjorn Rekelhof.

Am Tegernsee nun hat Andermatt in den letzten Tagen viel Zeit gehabt, sein Team und die Spieler besser kennen zu lernen. Seine Erkenntnis? «Es ist ein gutes Zeichen, wenn die Spieler im Trainingslager bis am Schluss marschieren und mit Freude bei der Sache sind.» Natürlich alles unter Beobachtung von Martin Andermatt. Der alles thematisiert, was ihm auffällt. Und stets eine Lösung dafür sucht.

Das ist Martin Andermatt
Name: Martin Andermatt

Alter: 60

Grösse: 1,79 Meter

Funktion: Assistenztrainer

Nation: Schweiz

Stationen als Trainer: Emmenbrücke, Winterthur, Baden, Ulm, Frankfurt, Wil, Vaduz, Liechtenstein, Young Boys, Aarau, Bellinzona, Zug, Schaffhausen

Letzter Verein: FC Schaffhausen

Titel als Trainer: 2 (2 x Cupsieger in Liechtenstein)

Erster Gedanke an den FCB: «Andermatt und nicht Odermatt», Joggeli und Benthaus

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