Presseschau

Basler Zeitung vom 21.09.2022

Wurde Urs Fischer beim FC Basel verkannt?

Formstarke Berliner Im Jahr 2017 musste Urs Fischer den FC Basel verlassen. Nun steht er in der Bundesliga mit Union Berlin an der Tabellenspitze. Hätte man ihn in Basel halten sollen?

Ja Dass der FC Basel den 2017 auslaufenden Vertrag mit Trainer Urs Fischer nicht verlängert hat, stellt womöglich den grössten Fehler in seiner jüngeren Vereinsgeschichte dar.

Zwei Meistertitel in seiner zweijährigen Amtszeit gewann Urs Fischer als Trainer des FC Basel, dazu kam der Cupsieg und das daraus resultierende Double im Jahr 2017. Fischer feierte Erfolge, von denen der FCB und seine Fans in der Gegenwart nur noch träumen können. Seine Freistellung im Zusammenhang des Führungswechsels von Heusler/Heitz hin zu Burgener/Streller markierte den Startpunkt der rotblauen Tristesse, die in den folgenden Jahren ihren Lauf nahm und in der der Verein sich noch heute befindet.

Und dies, obwohl man den Zürcher damals gehen liess, um eine ebensolche zu vermeiden. Fischer stand für Erfolg, nicht aber für Spektakel. Nicht zuletzt deshalb blieb ihm auch die Rückendeckung vieler FCB-Fans verwehrt, welche dem Trainer genauso wenig Wertschätzung entgegenbrachten wie die damalige, neue Vereinsführung.

Diese hatte die Vision eines FCB, der attraktiven Fussball spielen und dessen Kern aus Spielern aus dem eigenen Nachwuchs bestehen soll. Es blieb bei einer Vision. Und es ist auch nicht sicher, ob sie sich unter Fischer erfüllt hätte, da auch dieser unter der neuen Führung unter anderen Bedingungen hätte operieren müssen.

Allerdings lag der FCB darin falsch, dass Fischer für die Ausbildung und Entwicklung junger Fussballer ungeeignet sei. Der 56-Jährige führte Union Berlin - ein Zwerg auf der deutschen Fussball-Landkarte - zunächst in die höchste deutsche Spielklasse, dann zweimal ins europäische Geschäft und nun - zumindest vorübergehend - an die Tabellenspitze der Bundesliga.

Und dies vollbrachte er mit einem Verein, der andere Wege finden muss, um aufgrund seines verhältnismässig geringen Budgets mit der Konkurrenz mithalten zu können. Etwa durch gezielte Nachwuchsförderung oder - was auf Union eher zutrifft - auf die optimale Einbettung vorhandener Ressourcen in ein funktionierendes System.

Urs Fischer ist in Berlin der brillante Schöpfer eines solchen Systems. Spektakulär ist auch Union unter ihm nicht, aber erfolgreich. Und das ist es, worauf es im Fussball schlussendlich ankommt. Ein Fakt, den der erfolgsverwöhnte FCB des Jahres 2017 scheinbar vergessen hatte - und so einen grossen Trainer verlor, der gerne bei Rotblau geblieben wäre.

Benjamin Schmidt

Nein Inzwischen an der Spitze der Bundesliga, ist nicht absehbar, wohin Urs Fischers vierjähriger Höhenflug mit Union noch führt oder wann er endet. Doch schon jetzt lässt sich sagen, dass der Zürcher sich in der Geschichte des Berliner Fussballs einen Ehrenplatz erarbeitet hat. Die Frage ist folglich unangebracht, ob Urs Fischer ein sehr guter Trainer ist. Nur: Sie stellte sich schon nicht, als er beim FC Basel wirkte und mit Rotblau national dominierte wie keiner vor ihm. Vielmehr ging es 2017 darum, wie gut der bodenständige Fussballlehrer noch zum damals für Schweizer Verhältnisse mondänen Gross-Club passte - und umgekehrt.

Als Gegenentwurf zu seinem distanzierten, arrogant anmutenden Vorgänger Paulo Sousa war Fischer mit seiner Klarheit und Nähe zu Beginn eine Wohltat. Doch in der zweiten Hälfte des zweijährigen Wirkens wurde beim Trainer - nicht zuletzt unter dem Eindruck einer bescheidenen Champions-League-Kampagne - zunehmend der Mut in Sachen Spielanlage und Personalauswahl vermisst.

Dass dies auf einer überhöhten Anspruchshaltung gründete, versteht sich. Doch das ändert nichts an den damaligen Realitäten beim Serienmeister, Serien-Europacup-Begeisterer und Serien-Transfermillionär. Bernhard Heusler und seine Mitstreiter wussten, dass dem Rechnung getragen werden musste - und waren rund um die Club-Übergabe an Bernhard Burgener froh, sich gar nicht mit der Trainerfrage befassen zu müssen: Wer heute mit ihnen redet, der spürt dies bei aller Wertschätzung, die man Fischer für dessen nervenschonende Gesamtleistung entgegenbringt, deutlich heraus.

Keiner weiss, wohin sich der FCB mit einem Urs Fischer unter neuer Führung bewegt hätte. Vor allem aber hat Rotblau unter dessen Nachfolger Raphael Wicky zunächst genau das gebracht, was vermisst wurde: Erfolg und Begeisterung. Zur Erinnerung: Im Dezember hatte sich der FCB für die Achtelfinals der Champions League qualifiziert. Er lag in der Meisterschaft trotz YB-Höhenflugs nur zwei Zähler hinter den Bernern. Und er erzielte in der Folge mit Manuel Akanji, Mohamed Elyounoussi und Tomas Vaclik Transfererträge, die alle auf ihre Art als rekordverdächtig bezeichnet werden dürfen.

Diese Spieler standen zwar auch alle schon bei Fischer im Kader. Eine massive Wertsteigerung erfuhren sie jedoch erst durch die internationalen Glanzlichter, die der FCB im Herbst 2017 mit Wicky als Trainer setzte.

Demzufolge lässt sich der Trainerwechsel unmöglich als Fehler bezeichnen. Diese wurden an anderer Stelle begangen.

Oliver Gut

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