Presseschau

Basler Zeitung vom 08.02.2023

Diese riesige Aufgabe war für Alex Frei zu gross

Kommentar zum FCB-Trainerknall Der unerfahrene Trainer machte Fehler, die zur bescheidenen Liga-Zwischenbilanz beitrugen. Doch die Herausforderung «FCB-Trainer» ist in dieser Saison auch grösser als je zuvor.

Aus dem Traineramt entlassen wurde Alex Frei am Montag durch die Clubführung des FC Basel. Entlassen wurde er aber auch vom Totomat und der Tabelle: Der siebte Platz nach 19 Meisterschafts-Runden, verbunden mit dem tiefsten FCB-Punkteschnitt (1,16) seit Einführung der Super League waren stärkere Argumente als die erreichten, noch zu spielenden Conference-League-K.o.-Playoffs und Schweizer-Cup-Viertelfinals oder die Haltungsnoten in einigen Auftritten.

Kurz: Nach vier Pflichtspielen im neuen Jahr, die neben einem Sieg im Cup in der Liga zwei Niederlagen und nur einen Punkt brachten, überwog bei den Verantwortlichen der Eindruck, dass zu vieles im Argen liegt, um weiter auf einen Turnaround mit Alex Frei zu vertrauen. Noch bevor ab Samstag drei englische Wochen anstehen, die einen Trainerwechsel zusätzlich erschwert hätten, zog man die Reissleine. Im Wissen, dass dieser Impuls nicht nur am einfachsten zu geben ist, sondern auch der stärkste sein kann - und hoffend, dass genau diese Wirkung eintrifft.

Selbstverständlich ist nicht, dass dies geschieht. Allein durch die Massnahme «Trainerwechsel in der Saison» beruhigt sich die Atmosphäre im und um einen Club selten. Und dass diese Mannschaft bisher selbst innerhalb von jeweils 90 Minuten erheblich in ihren Leistungen schwankt, ist gewiss auch ihrer Zusammenstellung geschuldet, für die Verwaltungsratspräsident und Chief Football Officer David Degen die Hauptverantwortung trägt: Es hat zu viele Spieler, die zwar als Talent gelten, aber noch nie zuvor auf Profi-Level eine tragende Rolle bekleideten. Es hat zu viele Akteure, die von grösseren Clubs aus dem Ausland kamen und den FCB nur als Übergangslösung, aber nicht als erste Erfüllung eines Traums verstehen. Und es hat zu wenige Spieler mittleren Alters, die entweder Leistungsträger oder verlässliche Nebendarsteller sind.

Allerdings hat es Alex Frei auch nicht verstanden, diesem schwierigen Mix Stabilität zu verleihen - und er hat beim Versuch, das Bestmögliche herauszuholen, Fehler gemacht.

Das beginnt bei den routinierten, gealterten Spielern Fabian Frei, Taulant Xhaka und Michael Lang - und unabhängig davon, wie man diese in der bisherigen Saison sieht: Hätte er - egal, welche Einflüsse von oben oder aussen kommen - bedingungslos auf dieses Trio gesetzt, wäre die meinungsstärkste Gruppe innerhalb des Kaders mit Vertrauen auf dem Platz und hinter dem Trainer gestanden. Indem Alex Frei das Gegenteil machte, diese provozierte, mal auf sie setzte und mal nicht, pflegte er eine Art On-Off-Beziehung, unter der die Hierarchie in der Mannschaft und damit auch die Selbsthygiene in der Kabine und der Teamgeist litten.

Was hinzu kommt, waren System- und Personalwechsel, die in ihrer Summe zu häufig vorkamen: Vom 4-2-3-1 zum 4-1-4-1 und wieder zurück, wurde während der WM kurz die Dreier-Abwehrkette eingeübt und verworfen, um nach der Winterpause schliesslich auf ein 4-4-2 umzustellen. All das immer wieder begleitet von personellen Rochaden, wobei die unterschiedlichen Rollen eines Andy Pelmard - irgendwo zwischen Innenverteidiger, Mittelfeld- oder Ersatzspieler - sinnbildlich stehen. Es mag dies auch der Belastungssteuerung, den Resultaten und dem Versuch geschuldet sein, möglichst viele der Talente zu entwickeln. Doch es fördert weder mit noch ohne Ball die Automatismen. Zudem vermittelt es den Eindruck eines Trainers auf der Suche, was sich wiederum auf das (Selbst-)Vertrauen der Spieler auswirkt.

Eine wirkliche Überraschung kann dies für die Verantwortlichen nicht sein. Dass die Verpflichtung eines mit 43 Jahren noch relativ jungen, unerfahrenen Trainers zugleich Chance als auch Risiko ist, war von Beginn an klar. Man hat mit der Basler Spielerlegende Alex Frei einen Coach mit hohem FCB-Identifikationsfaktor engagiert, der mutig agieren liess und international lieferte. Unter dem Strich steht aber auch das Eingeständnis eines beidseitigen Irrtums: Die Aufgabe beim FC Basel war (noch?) zu gross für Alex Frei.

Allerdings ist es auch so: Schon seit dem ersten Meistertitel der Neuzeit aufgrund von regionaler Bedeutung und nationaler Strahlkraft der anspruchsvollste Job im Schweizer Fussball, ist die Herausforderung «FCB-Trainer» noch nie so schwierig gewesen wie in der laufenden Saison. Denn nie in diesem Jahrtausend steckte der Club in finanziell so engen Hosen, die am Ursprung der Kaderzusammenstellung stehen. Dies, während eine Führung am Werke ist, die erst seit eineinhalb Jahren ihre Erfahrungen sammelt, in dieser Konstellation noch nicht einmal zwölf Monate funktioniert. Und all das, während man sich im und um den FC Basel noch immer an den acht Jahren als Nonstop-Meister und voller europäischer Exploits orientiert.

Der Trainer, der in diesem Umfeld nachhaltig reüssiert, wird schwer zu finden sein. Wahrscheinlicher ist, dass es weitere Veränderungen auf verschiedenen Ebenen braucht, damit wieder etwas Starkes heranwächst. Seite 35

Oliver Gut Leiter Ressort Sport

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