Presseschau

Basler Zeitung vom 25.05.2023

Dem FCB bleiben 180 Minuten, um das Unaussprechliche zu verhindern

Fünf Clubs kämpfen in den letzten beiden Runden um zwei noch zu vergebende Plätze im Europacup. Der FC Basel befindet sich – mit all seinen Problemen – mittendrin.

Tilman Pauls, Oliver Gut

Platz 4: FC Luzern (47 Punkte / +4 Tore)

Es ist wirklich nicht ganz einfach mit diesem FC Luzern. Eigentlich müsste der Club längst am Boden liegen, schliesslich wird im Hintergrund noch immer emsig um die Besitzverhältnisse gestritten: Bernhard Alpstaeg will den Verwaltungsrat weiterhin absetzen, kann dies aber nicht, weil ihm 25 seiner ehemals 52 Prozent der Aktien auf juristischem Wege einstweilen entzogen wurden.

Das Team weigert sich aber, sich davon beirren zu lassen, und spielt teilweise begeisternden Fussball mit etlichen Akteuren aus dem eigenen Nachwuchs. Kurz vor Ende der Saison scheint den Spielern von Trainer Mario Frick zwar die Luft auszugehen. Doch auf Platz 4 hat der FCL noch immer sehr gute Chancen auf die Qualifikation für Europa.

Die Luzerner können alle Rechenspiele beseitigen, indem sie am Donnerstag in Sion gewinnen. Damit wären die Innerschweizer in der Endabrechnung mindestens Vierter und könnten sich eventuell sogar noch auf den dritten Platz vorschieben. Das würde bedeuten, dass der Club sich wieder anderen Themen zuwenden kann.

Zum Beispiel, von wem der Club eigentlich künftig kontrolliert und geführt wird. Wie eine Zukunft ohne Captain Ardon Jashari aussieht, der Luzern im Sommer verlassen dürfte. Oder auch, wie man die immer wiederkehrenden Ausschreitungen im Rahmen der Heimspiele in den Griff kriegt.

Platz 5: FC Basel (43 Punkte / –1 Tor)

Heiko Vogel hat sich die Szenen vom Spiel gegen den FC Lugano noch mal angeschaut – und dabei nicht nur auf die Laufwege seiner Spieler geachtet, sondern auch auf seine eigenen. Wie er nach dem Abpfiff applaudierend auf Schiedsrichter Lukas Fähndrich zugelaufen ist, dann in die Katakomben und später ins Mediencenter, wo er sich noch immer nicht beruhigt hatte. «Ich finde diesen Schiedsrichter menschlich zum wiederholten Mal absolut fragwürdig», das hat Vogel unter anderem gesagt.

Am Mittwoch hat Vogel sich – nach intensivem Studium der Bilder – für sein Verhalten entschuldigt: «Das, was ich gemacht habe, hat auf dem Platz nichts zu suchen.» Denn er hat nicht nur dem Team geschadet, indem er für das Spiel gegen Servette schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage gesperrt ist. Er hat mit seinem Verhalten auch nach aussen allen klargemacht, wie angespannt die Lage bei den Baslern wirklich ist.

Der FCB hat sich zuletzt auf die Chance fokussiert, als erster Schweizer Club in einen europäischen Final einzuziehen. Da wurde das Spiel beim FC St. Gallen mit einem 1:6 hergeschenkt, und schon zuvor waren die Leistungen in der Super League nicht so, als würde man sich mit aller Macht noch auf den zweiten Platz verbessern wollen. Nun sind die Basler in der Conference League aber gescheitert, und man fragt sich: Kann der FCB den Schalter umlegen?

Die Ausgangslage ist einigermassen dramatisch: Die Spieler wirken nach einer langen Saison mit bisher 59 Pflichtspielen körperlich und mental am Ende. Und jetzt warten zwei extrem schwierige Spiele, in denen die Basler unbedingt punkten müssen. Bei Servette hat der FCB zuletzt im März 2013 gewonnen. Und dann kommen am Pfingstmontag die aktuell noch punktgleichen Grasshoppers.

Es ist ein spannendes Rennen um die europäischen Plätze – und der FC Basel weiss aktuell noch nicht, ob er am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern zählt. Noch kann er sich Platz 4 oder 5 sichern – wobei ja vor einigen Monaten mal Platz 2 das ausgewiesene Ziel war. Oder aber er verspielt im letzten Moment auch noch das Minimalziel und steht ohne einen Platz in der Conference-League-Qualifikation da.

Für den FC Basel wäre es ein verheerender Abschluss einer bemerkenswerten Saison. Es wäre ein Szenario, das man am besten gar nicht ausspricht. Denn es würde den Club vor grosse, grundsätzliche, tiefgreifende Probleme stellen.

Platz 6: Grasshopper Club Zürich (43 Punkte / –6 Tore)

Was verbindet GC mit dem FCZ? Man ist aus Zürich. Was verbindet GC mit dem FC St. Gallen? Man hält sich am Donnerstag im Letzigrund auf, um ein Fussballspiel zu gewinnen. Was verbindet GC mit dem FCB? Man hält sich am Pfingstmontag im St.-Jakob-Park auf, um ein Fussballspiel zu gewinnen. Und was verbindet GC mit Luzern? Keiner weiss genau, wer den Club in der nächsten Saison besitzt. Die chinesische Fosun-Gruppe überprüft aktuell Kaufangebote.

Einfluss auf die Leistungen dürfte dies – wie in Luzern – vorerst keine haben. So, wie der Rekordmeister aus der Ferne gesteuert wird, ist man sich in Niederhasli gewohnt, dass es viele Fragezeichen gibt. Und da GC mit Giorgio Contini einen Trainer hat, der dank seiner Lausanne-Erfahrung bestens für diese Situationen gewappnet ist, muss man davon ausgehen, dass die Hoppers auch auf den letzten Metern das auf den Rasen bringen, was man zuletzt von ihnen gesehen hat: solides Handwerk, das immer wieder für Punkte gut ist, wenn die Gegner nicht ihren besten Tag erwischen.

Es gibt keine Regel, die Biederkeit vom Europacup ausschliesst. Und was man nicht vergessen darf: Auch GC bietet sich im Moment noch immer die Möglichkeit, dank des abschliessenden Direktduells in Basel aus eigener Kraft Fünfter zu werden.

Platz 7: FC St. Gallen (41 Punkte / +10 Tore)

Man muss sich das mal vorstellen: Seit Anfang März hat der FC St. Gallen eines von zwölf Spielen gewonnen. Eines! Dann kam der FC Basel mit seiner Conference-League-Erholungs-Elf, und die St. Galler siegten 6:1. Das waren nicht nur wichtige Punkte im Rennen um die europäischen Plätze. Es war auch ein Resultat, das St. Gallen im Hinblick auf die Tordifferenz einen immensen Vorteil verschafft.

Aber es ist weiterhin so, dass das Team noch zwei Clubs überholen muss, um in die Europacupqualifikation zu kommen. Zentral ist dabei das Spiel gegen GC, einen direkten Konkurrenten. Gegen die Zürcher hat St. Gallen in dieser Saison alle möglichen Resultate erzielt: Sieg, Remis und Niederlage. Nun brauchen die Ostschweizer erneut einen Sieg, um GC und vielleicht auch den FCB sowie Luzern zu überholen.

Im letzten Saisonspiel trifft St. Gallen dann auf Sion, das seinerseits noch um Punkte gegen den Barrageplatz kämpfen dürfte. Immerhin gab es am Dienstag eine leichte Entwarnung, was das letzte Saisonspiel angeht: Nach den Ausschreitungen in Luzern sind die Heimfans am nächsten Montag vermutlich zugelassen.

Platz 8: FC Zürich (41 Punkte / –15 Tore)

Nein, den Meistertitel aus der Vorsaison kann der FC Zürich nicht mehr verteidigen. Aber die Saison könnte für die Zürcher im Schlussspurt unverhofft ein grandioses Ende nehmen, indem sie als letzter der verbliebenen Europacupkandidaten drei vor ihnen liegende Konkurrenten überholen.

Unrealistisch? Keineswegs. Nach zwei Siegen und einem dazwischenliegenden Remis gegen Meister YB lässt sich feststellen, dass die Form stimmt. Das vermischt sich mit einer Atmosphäre im und um den Club, die nach dem Derbysieg und der Sicherung des Klassenerhalts ziemlich locker-flockig daherkommt.

Garniert wird das Ganze durch einen Schuss Extramotivation, Clubikone Blerim Dzemaili würdig in den Ruhestand zu begleiten, sowie ein günstiges Restprogramm: Ihr letztes Auswärtsspiel bestreiten die Zürcher in Winterthur. Das ist der Aufsteiger, der zuletzt nicht mehr auf der Höhe der Super-League-Aufgaben wirkte.

Danach wartet mit Lugano zwar ein klar höher einzuschätzender Gegner. Doch der FCZ spielt im Letzigrund – und die Chancen stehen gut, dass es für die Tessiner bis dahin um gar nichts mehr oder nur noch wenig geht, sodass man darauf achtgeben kann, sich im Hinblick auf den Cupfinal nicht zu verletzen.

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