Basler Zeitung vom 31.07.2024
Sportdirektor Daniel Stucki ist mit den Sanktionen und Gerüchten rund um den FC Basel gefordert wie bislang noch nie. Ist der 42-Jährige dieser Aufgabe gewachsen?
Tilman Pauls
Besonders viele Interviews hat Daniel Stucki bisher noch nicht gegeben. Aber ein bisschen hat man über den neuen Sportdirektor des FC Basel dann doch erfahren.
Stucki ist zum Beispiel immer telefonisch erreichbar, was schon mal keine schlechte Voraussetzung ist für seinen Job. Wenn er aber am Abend die Kinder ins Bett bringt, dann müssen es die Agenten gar nicht erst versuchen, dann hat er nämlich Besseres zu tun, hat er dem «Blick» erzählt.
Das Handwerk für seinen Posten hat er auf dem Campus erlernt, wo die Dimensionen zwar ganz andere sind, als wenn man plötzlich dem FC Chelsea gegenübersitzt und diesem 14 Millionen Franken für einen Spieler wie Renato Veiga aus der Tasche zieht. Aber die Mechanismen seien durchaus ähnlich.
Und dann ist da noch die Geschichte mit der Weste. Früher, zu seiner Zeit bei der Basler Polizei, habe Stucki durchaus auch mal «17 oder 18 Stunden am Stück mit einer 30 Kilogramm schweren Körperweste» gearbeitet. Was das genau mit seinem Job als Sportdirektor zu tun hat, erschliesst sich auf den ersten Blick zwar nicht. Aber schaden kann so eine Belastungsprobe nicht.
Denn die nächsten Wochen werden für Stucki noch anstrengend genug.
Massnahmen gegen Barry und Kololli
Der FC Basel hat in dieser Spielzeit erst zwei Spiele bestritten, aber schon wieder genug Geschichten für einen ganzen Saisonrückblick gesammelt. Allein in den letzten drei Tagen konnte man im Internet – wo denn sonst? – so viele wilde Geschichten, Theorien und Gerüchte lesen, dass einem schwindelig werden muss. Aber der Reihe nach?…
Vor dem Spiel gegen Lugano wurden Thierno Barry und Benjamin Kololli aus disziplinarischen Gründen aus dem Kader gestrichen. Über die Gründe gab Stucki im TV-Interview keine Auskunft und verwies bei einer BaZ-Anfrage am Montag erneut darauf: «Diese Themen wurden/werden intern behandelt und nicht weiter öffentlich kommentiert», liess er über Mediendirektor Remo Meister schriftlich ausrichten.
Aus Sicht des FCB ist es nachvollziehbar, sich in dieser Angelegenheit vorerst bedeckt zu halten, bis die genauen Sanktionen bekannt sind. Die Situation ist eine andere als im Februar, als Fabio Celestini die von ihm ausgesprochene Sanktion gegen Barry und Renato Veiga gleich selbst erklärte, nachdem beide zu spät zum Abschlusstraining erschienen waren. Dieses Mal sind jedoch auch die oberen Etagen involviert.
Es soll in dieser Woche ein Gespräch mit Stucki, Celestini und Präsident David Degen geben, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Offenbar scheinen im Fall von Kololli gravierendere Sanktionen denkbar. Aber es ist auch absehbar, dass in der Zwischenzeit ein paar abgedrehte Theorien herumgereicht werden.
Die harmloseste und verlässlichste Version lautet aktuell, dass am Donnerstag vor dem Saisonauftakt beim FC Lausanne-Sport sieben Spieler – darunter Barry und Kololli – so lange feiern waren, dass sich einige Fans offenbar direkt an den Sportdirektor wandten, um zu fragen, inwiefern der Ausgang bis tief in die Nacht zu einer professionellen Vorbereitung dazugehört.
Die bösen sieben sollen in der Vorwoche mit einer Geldstrafe belegt worden sein, wobei Kololli mit dem Vorgehen des Clubs nicht einverstanden gewesen sein soll. Barry erlaubte sich in der Folge noch eine Verspätung, was ihm den Platz im Kader gekostet haben dürfte.
Stucki muss die Spekulationen einfangen
Klingt wild, aber da hört es nicht auf. Genau genommen fängt es da sogar erst an. Denn wo nicht kommuniziert wird, da wird spekuliert. Und aus dem, was in der Stadt herumgetratscht wird, könnte man problemlos einen Film drehen: Das geht von Kneipen- und Trainingsschlägereien über Frauenbesuche im Teamhotel über saftige Ohrfeigen am Verhandlungstisch bis hin zur Flucht vor einer Alkoholkontrolle der Polizei.
Da spielt dann noch die Causa Fabian Frei mit hinein – wobei man auch in diesem Fall nicht sicher sein kann, was stimmt und was nicht. Es heisst, der Club habe dem Captain eine Vertragsauflösung nahegelegt. Vielleicht war es aber auch so, dass nach dem Spiel in Lausanne ein paar emotionale Worte in den Katakomben gefallen sind, die am nächsten Tag wieder vergessen waren.
Vielleicht stimmt beides. Vielleicht stimmt gar nichts. Freis Berater Gaetano Giallanza hat bei Telebasel einzig ein Gespräch im Nachgang an das Spiel in Lausanne bestätigt. Und abgesehen davon ist eigentlich nur eines klar: Es liegt nicht zuletzt im Aufgabenbereich des neuen Sportdirektors, diese Geschichten einzufangen und abzumoderieren, bevor sie sich verselbstständigen.
Daraus ergibt sich: Dies ist – ohne Frage – die grösste und heikelste Aufgabe für den Sportdirektor-Neuling Daniel Stucki.
Seit dem 15. Mai ist der 42-Jährige Sportdirektor der Basler. Als ehemaliger Chef des Nachwuchses ist er aufgestiegen, weil der FCB nach dem Sportchef Heiko Vogel der Meinung war, man setze künftig auf eine Sportkommission – nur um ein paar Monate später alles wieder umzuwerfen und Stucki zum Sportdirektor zu machen, der dieser Kommission nun vorsteht.
Ab dem ersten Tag hat Stucki viel Wert darauf gelegt, dass er dabei mehr ist als nur das Sprachrohr von David Degen. «Er ist Präsident und Eigentümer des Vereins. Meine Funktion ist eine ganz andere. Ich bin für den operativen sportlichen Erfolg zuständig», hat er gesagt. Und kürzlich hat Stucki nochmals betont, dass er am Verhandlungstisch sitze, nicht Degen.
Diese Abgrenzung ist wichtig. Denn grundsätzlich stehen beim FCB so ziemlich alle Mitarbeitenden im Verdacht, nur ausführenden Kräfte für Degens Ideen zu sein. Verträge mit den Sponsoren? Handelt bestimmt David Degen aus. Der neue Rasen? Hat sicher Degen in Holland bestellt. Design für die Trikots? Hat Degen gemalt. Und die Aufstellung der Mannschaft macht ja sowieso der Präsident persönlich. So klingt das dann jeweils.
Bei Stucki schwingt das Gefühl umso mehr mit, als er ja in seiner Karriere noch nie Sportdirektor war. Darum ist es wichtig, dass er sein Profil schärft und sich als eigenständige Kraft etabliert. Dass er vor der Kamera steht, wenn zwei Spieler nicht im Kader stehen. Oder dass er die Blumen überreicht, wenn ein Routinier wie Michael Lang verabschiedet wird.
Die «Nebengeräusche» rund um den FC Basel
Stucki muss bei seinem Amtsantritt klar gewesen sein, dass irgendwann die erste Krise kommt. Denn Krisen gehören bei einem Fussballclub dazu – beim FCB zuletzt ganz besonders. Aber dass die erste grosse Krise schon drei Tage vor dem Saisonstart beginnt, damit hat er wohl selbst nicht gerechnet.
Man darf jedenfalls gespannt sein, wie der Club sich in den nächsten Tagen verhalten und die Geschehnisse aufarbeiten wird. Die «Nebengeräusche», von denen Stucki am Samstag redete, könnten schnell zu einem Krach werden, der den Spielbetrieb stört. Besonders die Frage, wie der Club in Zukunft mit Captain und Rekordspieler Frei plant, birgt einiges an Sprengkraft.
Daniel Stucki erfährt gerade mit einiger Wucht, was es bedeutet, Sportdirektor des FC Basel zu sein. Doch vielleicht hilft es ihm ja tatsächlich, dass er in seiner beruflichen Vergangenheit bei der Basler Polizei schon ganz andere Krisen erlebt hat.