Basler Zeitung vom 29.11.2024
Zehn Gründe, warum der FC Basel am Samstag erstmals seit über drei Jahren als Leader ins nächste Spiel geht.
Oliver Gut, Dominic Willimann
Dass Trainer Fabio Celestini zuerst genannt werden muss, wenn man die erstaunliche einjährige Entwicklung des FC Basel vom Tabellenletzten zum Tabellenführer der Super League verstehen will, ist klar und wurde bereits ausgeführt (lesen Sie hier). Wir nennen – mit starkem Fokus auf die Mannschaft – zehn weitere Gründe, warum der FCB am Samstag erstmals seit über drei Jahren als Leader in eine Meisterschaftsrunde steigt.
Xherdan Shaqiri und die Attitüde
Xherdan Shaqiri war nicht topfit, als er zum FCB zurückkehrte. Und Xherdan Shaqiri wirkte mit seiner Körpersprache auch immer mal wieder so, als ob er sich vorkomme wie der Einäugige unter Blinden, als im September noch wenig zusammenpasste.
Vielleicht tut man ihm damit unrecht. Aber ungefähr so waren sie halt, die ersten Eindrücke.
Seit Oktober ist das Bild ein komplett anderes. Ist da ein Shaqiri, der wieselt. Aber auch einer, der sich mit seinem kompakten Körper immer wieder erfolgreich gegen grössere Gegenspieler stemmt. Da ist ein Shaqiri, der auch mal verteidigt, sogar grätscht. Und da ist ein Shaqiri, der seine Mitspieler ermuntert und motiviert.
Gewiss: Manchmal staucht er sie auch zusammen. Oder trägt mit dem Trainer ein Wortgefecht aus. Aber: Es rundet nur das Bild der vergangenen zwei Monate ab. In Verbindung mit sechs Siegen sowie seinen fünf Toren und sieben Assists, die ihn zum Liga-Topskorer machen, ist es das Bild eines ehrgeizigen Leaders. Xherdan Shaqiri ist im goldenen Herbst der erste Anführer auf dem Platz gewesen. Und zwar diskussionslos.
Xherdan Shaqiri und die Standards
Bereits bei seiner Verpflichtung war eines klar: Bei Standardsituationen würde Shaqiri mit seinem aussergewöhnlichen linken Fuss ein Plusfaktor sein. Das hat sich bereits eindrücklich bestätigt: Starke sieben seiner zwölf Skorerpunkte (die er alle erst ab Oktober erzielt hat) stehen mit einem ruhenden Ball in direktem Zusammenhang. Macht im Durchschnitt über diese Phase genau ein Tor pro Spiel, das Shaqiri dem FCB per Standard vorbereitet oder selbst erzielt. Ein absoluter Spitzenwert.
Dabei hat er schon fast die ganze Palette gezeigt: Da waren Corner- und Freistossflanken auf die Köpfe der Torschützen. Da war aber auch ein direkt verwandelter Freistoss und Corner. Und da war ein im Nachschuss verwerteter Elfmeter. In der Liga fehlt damit – Einwürfe nicht berücksichtigt – nur noch das Einfachste: ein direkt verwandelter Penalty. Den allerdings gab es im Cup bei Stade Nyonnais und brachte die nächste Runde.
Bénie Traoré und die Solidarität
Welch ein Raunen ging am Sonntag beim Servette-Spiel durch das rotblaue Publikum, als Bénie Traoré den Ball aus aussichtsreicher Position hoch in die Muttenzerkurve drosch. Ihn deshalb als «Chancentod» abzustempeln, wäre allerdings falsch. Denn: Der Ivorer ist hinter Xherdan Shaqiri der zweitbeste Skorer der Liga.
Was ihn fast noch mehr auszeichnet, ist seine Mannschaftsdienlichkeit gegen den Ball. Er ist einer derjenigen Spieler, die bereit sind, jene Extrameter im Kampf gegen den Ball zurückzulegen, die noch nie Shaqiris grosse Stärke waren. Und er steht damit exemplarisch für andere wie etwa Dominik Schmid, die vielleicht auffälliger agieren könnten, sich aber ganz in den Dienst des Mannschaftserfolgs stellen.
Kevin Carlos und die Wasserverdrängung
Nach kurzen Anlaufschwierigkeiten hat Kevin Carlos längst jenes Fitnesslevel erreicht, das man von ihm bei Rotblau erwartet. Und vor allem: In den letzten sechs Partien gelangen dem 23-jährigen Spanier fünf Tore.
Das ist aber nur die eine Seite seiner Wichtigkeit im Sturmzentrum. Seit Carlos Anfang Oktober gegen den Schweizer Meister Young Boys erstmals in der Basler Startelf stand, hat die rotblaue Offensive an Robustheit gewonnen. Dank seiner Physis gewinnt der Yverdon-Zuzug nicht nur viele Zweikämpfe, ihm gelingt es immer wieder, Bälle festzumachen und das Spiel geschickt auf die Seiten zu verlagern. Für den FCB ist dies von grossem Wert, kann er sich doch so mit seiner ballbesitzorientierten Shaqiri-Offensive regelmässig in der gegnerischen Hälfte festsetzen.
Nicolas Vouilloz und die Abwehrreihe
Der FC Basel schiesst nicht nur die meisten Tore der Liga, er bekommt zusammen mit dem FC Lugano auch die wenigsten. Das hat auch damit zu tun, dass die Abwehr in der Ära Celestini um einiges sattelfester wirkt als zuvor. Die defensive Stabilität des ersten Halbjahres 2024 ist in das aktuelle Championat implementiert worden. Unabhängig davon, ob Celestini mit drei oder vier Verteidigern spielen lässt: Die Defensive funktioniert.
Das zeigt sich auch daran, dass es aktuell kaum eine Rolle spielt, wer im Einsatz steht. Das beste Beispiel dafür ist Nicolas Vouilloz. Der Romand ist durch die jüngste Verletzung von Jonas Adjetey in die Startformation gerutscht und hat sich nahtlos in den Defensivverbund eingefügt. Nun, da Adrian Barisic gegen Lausanne gesperrt fehlen wird, dürfte der wiedergenesene Adjetey in die Verteidigung zurückkehren – neben den zurzeit gesetzten Vouilloz, Dominik Schmid und Joe Mendes.
Marwin Hitz und die Ausstrahlung
Zuletzt hat Marwin Hitz gegenüber SRF gesagt, dass er noch eine weitere Saison auf Profilevel Fussballspielen möchte. Sofern er weiterbeschäftigt werde. Der Vertrag des 37-Jährigen läuft im Sommer bei Basel aus, erste Gespräche mit dem Club haben bereits stattgefunden.
Offensichtlich ist, dass der Routinier seit Sommer Bonuspunkte für eine allfällige Vertragsverlängerung gesammelt hat. Denn: Er ist wichtiger Teil der gefestigten Basler Defensive und tritt mit einer ganz anderen Ausstrahlung und Körpersprache auf, als er es im Vorjahr tat. Hinzu kommt die Statistik: Aktuell steht Hitz bei fünf Ligaspielen ohne Gegentreffer. Das ist der zweitbeste Wert der Liga. Und die 1,07 Gegentreffer, welche die Basler mit ihm im Schnitt kassiert haben, sind Spitze.
Leon Avdullahu und der Fortschritt
Der Solothurner ist kein Mann der lauten Worte. Vielmehr besticht der 20-Jährige in dieser Saison durch seine Konstanz. Oder präziser gesagt: Der Mittelfeldspieler ist auf gutem Niveau konstanter geworden in seinen Leistungen.
Kommt hinzu, dass er seinen Platz im Zentrum auf sicher hat; egal, in welchem System Fabio Celestini seine Farben spielen lässt. Avdullahu fehlt in der Liga nur beim Heimspiel gegen Zürich in der Startelf – weil er gesperrt ist. Überhaupt lässt sich sagen: Seit Fabio Celestini beim FCB das Sagen hat, ist Leon Avdullahu Stammkraft geworden und spielt so regelmässig wie kaum ein anderer.
Taulant Xhaka und die Akzeptanz
Ist er nun Captain, oder ist er es nicht? Diese Frage beschäftigt die FCB-Fans nach dem Abgang von Fabian Frei zu Winterthur. Zur Klärung: Ja, er ist es – sofern er spielt. Nur: Xhaka spielt kaum. Seine Ligabilanz: nur 118 Minuten, verteilt auf acht Teileinsätze. Noch nie stand er in der Startelf.
Das sind Zahlen, die Xhaka und dessen Entourage in der Vergangenheit hätten erzürnen lassen. Wir erinnern uns an die eine oder andere Instagram-Botschaft des Spielers oder seines Bruders Granit …
Letztmals kam dies im März vor – und seither ist es still, obwohl Xhaka kaum spielt. Er selbst sagt, er habe sich inzwischen gut mit seiner Rolle als Routinier auf der Ersatzbank arrangiert (lesen Sie hier). Etwas, das auch andere Stimmen bestätigen, die gleichzeitig Xhakas unveränderte Wichtigkeit in der Kabine betonen.
Der Teamgedanke scheint beim FC Basel so viel Gewicht zu haben wie schon lange nicht mehr. Wohl auch, weil der Captain mit gutem Beispiel vorangeht.
Daniel Stucki und das Sandwich
Was kann Daniel Stucki, der noch nie Sportchef war, beim FC Basel bewirken? Die Antwort lautet: offenbar viel. Als ehemaliger Mitarbeiter der Basler Polizei scheint der ehemalige Meisterspieler des FC Zürich auf vielen sportlichen Ebenen eine klarere Linie zu fahren, als dies zuvor der Fall war.
Hinzu kommt: Anstatt sich im Sandwich zwischen Präsident David Degen und dem Trainer sowie den Spielern aufzureiben, ist es ihm bisher mit seiner Art gelungen, jenes Bindeglied zu sein, von dem man in der Vergangenheit zwar immer sprach, das man aber eigentlich nie hatte.
Wie sehr sich Stucki dabei von Degen zu emanzipieren vermag? Ob er ihm häufiger widerspricht oder zunickt? Im Grunde ist dies egal – und zählt nur, wie gut das Zusammenspiel funktioniert.
Patrick Rahmen und die Konkurrenz
1,87 Punkte. Das ist der Schnitt des aktuellen Leaders. Und dass diesen nicht nur der FC Basel, sondern auch der FC Lugano (bei schlechterer Tordifferenz) aufweist, passt zum Gesamtbild einer Meisterschaft, die sich bislang vor allem dadurch auszeichnet, dass noch immer die halbe Liga als künftiger Meister infrage kommt.
Der FCB profitierte bei seinem jüngsten Lauf an die Spitze also auch davon, dass sich bislang kein Konkurrent findet, der sich durch Konstanz auf hohem Niveau ausgezeichnet hat. Dies, während mit dem BSC Young Boys der Meister der vergangenen zwei Jahre seine Krise noch immer nicht überwunden hat: Seit der Entlassung von Trainer Patrick Rahmen ist der Rückstand von YB auf die Spitze zwar tatsächlich kleiner geworden – allerdings minim: Er beträgt nun noch elf statt zwölf Punkte …
In keiner anderen Super-League-Saison zuvor hatte der Leader nach 15 Spieltagen so wenige Zähler auf seinem Konto. Was dazu passt: Der FC Lausanne-Sport stellt bislang die einzige Mannschaft, die vier Siege in Folge feiern konnte. Der FCB kann diese Serie am Samstag ab 18 Uhr egalisieren – dann, wenn er im St.-Jakob-Park diesen FC Lausanne-Sport schlägt. Gelingt ihm dies, dann bleibt er weiter Leader.